Film | Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr / Ein Lebender geht vorbei
Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr / Ein Lebender geht vorbei
Regie: Claude Lanzmann
Wie verlief der einzige jemals gelungene Aufstand in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten? Und: Was hatte ein Delegierter vom Internationalen Roten Kreuz den Behörden von seinem Besuch in Theresienstadt zu berichten? Basierend auf unveröffentlichten Interviews, die Lanzmann 1979 während der Dreharbeiten zu seinem Jahrhundertepos SHOAH aufgezeichnet hatte, entstanden Jahre später diese zwei eigenständigen Dokumentarfilm-Meilensteine.
SOBIBOR, 14. OKTOBER 1943, 16 UHR (2001) setzt an, wo SHOAH (1986) endete: beim jüdischen Widerstand. Der Titel verweist auf Ort, Tag, Monat, Jahr, Stunde des einzigen jemals gelungenen Aufstands in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Damit wäre aber auch die entscheidende Differenz zu SHOAH benannt. Denn während Lanzmann die Zeugen in SHOAH als Wiedergänger begreift, die aus dem Reich der Toten berichten, sehen wir in SOBIBOR einen Überlebenden im emphatischen Wortsinn: Yehuda Lerner war 16 Jahre alt und bereits aus acht Lagern geflohen, als er dem SS-Aufseher namens Graetschus mit einer Axt den Schädel spaltete. Er handelte im Rahmen eines Aufstandsplans, nach dem eine Gruppe Häftlinge des Vernichtungslagers Sobibor am besagten Tag, zu besagter Stunde gegen die SS aufbegehrte. Die Deutschen waren pünktlich, der Plan ging auf …
EIN LEBENDER GEHT VORBEI (UN VIVANT QUI PASSE) (1997): Maurice Rossel, ein Offizier der Schweizer Armee, der während des Zweiten Weltkriegs als Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Berlin stationiert gewesen war, wollte Claude Lanzmann nicht empfangen. So überrumpelte ihn Lanzmann mit einem Überraschungsbesuch, bei dem dieses Filmgespräch in höchst gespannter Atmosphäre zustande kam. Als einziger Delegierter hatte Rossel nämlich schon 1943 das Konzentrationslager Auschwitz besucht (das Vernichtungslager Birkenau bekam er nicht zu Gesicht). 1944 war er dann auf Einladung nach Theresienstadt gereist und den Täuschungsmanövern der SS aufgesessen, wie sein damals verfasster offizieller Bericht über das »Vorzeigelager« beweist.
Zwei Gesprächspartner, zwei sehr unterschiedliche Filme: Eine große Erzählung jüdischen Widerstands und die nicht folgenlose Episode einer nachhaltigen Blendung.
»Es gibt heutzutage zwar eine große Anzahl von Museen, Denk- und Mahnmalen. Die aber dienen dem Vergessen ebenso wie der Erinnerung. Sie verwalten die Erinnerung, die zur toten Materie wird, ehe sie ganz ins Stadium des Vergessens übergeht. Meine Filme sind Gegenmittel dazu.« Claude Lanzmann
- Extras
Mit Booklet
- Credits
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Regie: Claude Lanzmann
Produktion: Les Films Aleph, Why Not Productions, France 2 Cinéma
Produktionsland: F
Produktionsjahr: 1997/2001
- Pressestimmen
»Es gibt heutzutage zwar eine große Anzahl von Museen, Denk- und Mahnmalen. Aber dies alles sorgt gleichzeitig für das Erinnern und für das Vergessen. Das ist die Verwaltung der Erinnerung, die zur toten Materie wird, ehe sie ganz ins Stadium des Vergessens übergeht. Meine Filme sind Gegenmittel dazu.« Claude Lanzmann
»Ist es nicht verdienstvoll, an diese einsamen, vergessenen Akte jüdischen Widerstands in absolut aussichtlosen Situationen zu erinnern?« literaturkritik.de
»Die formale Radikalität des Films SOBIBOR zieht mit dem Pathos der Fakten den Zuschauer in den Bann der Geschichte.« Der Tagesspiegel
»Während „Shoah“ von der fürchterlichen Totalität der Todesmaschinerie der Nazis
handelt, sind die Filme „Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr“ und „Ein Lebender
geht vorbei“ leidenschaftliche Dokumente der Möglichkeiten des Einschreitens, hier
eines geglückten Widerstands und dort eines verantwortungslosen Wegsehens -
da, wo eine internationale Öffentlichkeit hätte hergestellt werden können und
müssen -, hier eine deklarierte Feier der Aufstands und dort eine vehemente
Anklage, beides nachhaltige Appelle an die individuelle Verantwortlichkeit – am
Ende auch die des Zuschauers.« – Andreas Thomas, filmzentrale.comIm Vorspann erklärt Lanzmann: »Ich danke Maurice Rossel dafür, dass er mir gestattet hat, heute das Interview zu verwenden, das er mir 1979 gewährte. ›Heute, als Achtzigjähriger‹, schrieb er mir, ›erinnere ich mich nicht mehr so genau an den Mann, der ich damals war. Ich denke, ich bin weiser geworden oder auch verrückter, was auf dasselbe hinausläuft. Seien Sie gnädig, machen Sie mich nicht zu lächerlich.‹ Dies war nicht meine Absicht.« Lanzmann führt Rossel nicht vor, sondern zeigt das Versagen der sogenannten neutralen Beobachter.« – Jonas Engelmann, jungle world
»SOBIBOR, 14 OCTOBRE 1943, 16 HEURES nimmt ohne Frage einen Platz unter den großen Filmwerken ein, neben Chaplins The Great Dictator und To Be or Not to Be von Lubitsch.«
- Le Monde»Die formale Radikalität des Films SOBIBOR zieht mit dem Pathos der Fakten den Zuschauer in den Bann der Geschichte.«
- Der Tagesspiegel»Ein Jahrhundertfilm ist dem französischen Filmemacher Claude Lanzmann in Fortsetzung seines an Meisterwerken nicht gerade armen Schaffens gelungen: SOBIBOR, 14 OCTOBRE 1943, 16 HEURES. In den letzten Jahren war im Kino nur wenig Vergleichbares in dieser epochalen Meisterschaft zu sehen.« DER STANDARD
Zu SOBIBOR: »Ist es nicht verdienstvoll, an diese einsamen, vergessenen Akte jüdischen Widerstands in absolut aussichtlosen Situationen zu erinnern?« literaturkritik.de
Zu EIN LEBENDER »In dem Film ist zu sehen, wie Lanzmann Roussel in einem Gespräch mit den tatsächlichen Fakten konfrontiert und alle seinem Gegenüber von den Deutschen aufgetischten Lügen Schritt für Schritt wiederlegt. Sie führten seinerzeit mit dazu, dass die internationale Öffentlichkeit Auschwitz und das europaweite deutsche Juden-Vernichtungssystem bis zum Kriegsende 1945 kaum zur Kenntnis nahm. Auch im Blick auf heute drohende, neue Genozide in der Welt und nicht zuletzt die akute Bedrohung Israels ist die Kenntnisnahme von Lanzmanns Film beängstigend und lehrreich zugleich.« literaturkritik.de
»Über das raffinierte Täuschungsmanöver der Nazis hat Lanzmann 1979 mit dem inzwischen 80jährigen Maurice Rossel ein ausführliches Interview geführt. Ursprünglich ebenfalls für „Shoah“ gedacht, füllt auch dieses Kapitel einen eigenen Film: Er heißt „Un vivant qui passe/Ein Lebender geht vorbei“. … enorm wichtige Dokumentation eines vergessenen Kapitels der NS-Geschichte …« Filmspaicher, SWR Herbert Spaich, 12.9.2010
Best. Nr.: 524
ISBN: 978-3-89848-524-1
EAN: 978-3-89848-524-1
Länge: 95 + 65
Bild: PAL, Farbe, 16:9/4:3
Ton: Mono/Stereo
Sprache: Originalfassung Hebräisch/Französisch
Untertitel: deutsche Untertitel
Regionalcode: codefree
Label: absolut MEDIEN
Edition: Die großen Dokumentaristen
Rubrik: Dokument
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