Film | SCHATTEN (1923)

SCHATTEN (1923)


Eine nächtliche Halluzination Regie: Arthur Robison

Einer der großen expressionistischen Stummfilme entfaltet – ohne Zwischentitel! – seine Wirkung durch das Zusammenwirken der Kameraarbeit und dem grandiosen Ensemble um Fritz Kortner. Eine Geschichte um Eifersucht und andere Wahnvorstellungen:

Ein Ehemann ist von seiner Eifersucht getrieben. Bei einem abendlichen Dinner glaubt er, endlich den Beweis für die Untreue seiner attraktiven Ehefrau gefunden zu haben. Hinter den durchsichtigen Vorhängen einer Glastür belauert er gierige Schattenhände, die nach seiner Frau greifen. Doch die Schatten täuschen ihn. In Wahrheit handelt es sich um bedeutungslose Gesten. Seine Frau wird von den Männern nicht einmal berührt. Ein anwesender Schausteller bekommt den Wahn des Ehemanns mit und weiß um die Täuschung. Mit einer Hypnose führt er den Anwesenden ein Schattenspiel vor, das ihnen ihre erotischen Wünsche und Ängste vorführen soll. Das Spiel sorgt für Klarheit. Der Ehemann erkennt, dass seine Frau ihm treu ergeben ist und ihre Kavaliere verlassen das Haus, mit dem Wissen, dass sie bei dieser Frau keine Chance haben.

Schatten (D 1923, Länge: ca 85‘)
restaurierte viragierte Fassung mit neuer Musik

Regie Arthur Robison
Drehbuch Rudolf Schneider, Arthur Robison
Kamera Fritz Arno Wagner
Bauten und Kostüme Albin Grau

Darsteller:
Fritz Kortner Eifersüchtiger Ehemann
Ruth Weyher Ehefrau
Gustav von Wangenheim Liebhaber der Ehefrau
Alexander Granach Schausteller
Eugen Rex 1. Kavalier
Max Gülstorff 2. Kavalier
Ferdinand von Alten 3. Kavalier
Fritz Rasp 1. Diener
Karl Platen 2. Diener
Lilly Harder Zofe

Produktionsfirma Pan-Film GmbH (Berlin)
Dreharbeiten Freigelände Neubabelsberg; Decla-Bioscop-Atelier Neubabelsberg
Länge 1.710m
Premiere 16.10.1923, Berlin, U.T. Nollendorfplatz

Filmrestaurierung Luciano Berriatua i. A. der F.-W.-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
Material Cinémathèque Française, Museum of Modern Art
Kopierwerk L’Immagine Ritrovata, Bologna

Musik (2016) Johannes Kalitzke / i.A. von WDR und ZDF/ARTE
Einspielung ensemble asolta
Markus Schwind (Trompete), Andrew Digby (Posaune),
Olivier Vivares (Klarinetten), Ekkehard Windrich (Violine/Strohgeige),
Erik Borgir (Violoncello), Hubert Steiner (E-Gitarre),
Florian Hölscher (Klavier/Celesta), Benjamin Kobler (präpar. Klavier/Sampler) Julian Bell und Boris Müller (Schlagzeug)
Klangregie Malte Giesen
Dirigent Johannes Kalitzke
Tonmeister Stephan Cahen
Redaktion Harry Vogt (WDR), Nina Goslar (ZDF/ARTE)

TV-Ausstrahlung November 2016 auf ARTE
Eine Koproduktion von WDR und ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE

Das Projekt
Arthur Robisons Film Schatten – Eine nächtliche Halluzination ist einer der großen expressionistischen Stummfilme, der in der Filmgeschichtsschreibung etwas vernachlässigt wurde. Der ohne Zwischentitel produzierte Film entfaltet seine Wirkung durch das Zusammenwirken der Kameraarbeit von Fritz Arno Wagner und einem grandiosen Ensemble (Fritz Kortner als eifersüchtiger Ehemann, Alexander Granach als Gaukler, Ruth Weyher als kokette Ehefrau). Mit der Rekonstruktion von Luciano Berritua (1998) und der neuen Musik von Johannes Kalitzke (2016), uraufgeführt im Rahmen der Tage für neue Kammermusik Witten in Koproduktion von WDR und ZDF/ARTE, liegt dieses hochartifizielle Lichtspiel erstmals in hochwertiger Fassung vor.

Inhalt
Eine junge Frau, die mit ihren Reizen nicht geizt, leidet unter der krankhaften Eifersucht ihres Gatten. Bei einem Abendessen, zu dem vier Herren anwesend sind, glaubt er, anhand von Schattenbildern eine amouröse Annäherung zwischen seiner Frau und einem der Gäste zu erkennen. Ein Gaukler, der die Gesellschaft mit einem Schattenspiel unterhält, spürt die Spannung, die in der Luft liegt, und erteilt den Anwesenden eine Lektion. Er hypnotisiert sein Publikum und zaubert ihre Schatten auf die Leinwand. Da sehen sie hre heimlichen Wünsche und Phantasien. Das Spiel mit den Schatten endet in einer grotesken Hinrichtung der jungen Frau, den rasenden Gatten werfen die Kavaliere aus dem Fenster. Aus der Trance erwacht, verlassen die Gäste das Haus, zwischen den Eheleuten herrscht wieder Harmonie, zumindest an diesem Morgen.

Zum Film
Schatten zeigt wie kaum ein anderer Stummfilm die Essenz des expressionistischen Kinos, das sich in der Tradition der deutschen Romantik bewegt: Schattenspiele, die Wunsch- und Traumbilder sichtbar machen und die das Verhältnis von Traum und Wirklichkeit auf den Kopf stellen. Die Traumbilder offenbaren, was die Menschen wirklich umtreibt und ihr Handeln bestimmt.
Schatten ist einer der besten Filme des deutschen Expressionismus und bewegt sich von der künstlerischen Wertigkeit her auf dem Niveau der Klassiker dieser Epoche wie Das Cabinet des Dr. Caligari oder Nosferatu, zu dem es eine Reihe enger Verbindungen gibt: 1. durch die Mitwirkung der Schauspieler Alexander Granach (der Häusermakler Knock in Nosferatu, der Schattenspieler in Schatten) und Gustav v. Wangenheim (der junge Thomas Hutter in Nosferatu, der Galan in Schatten), 2. durch Fritz Arno Wagner als Kameramann beider Filme und 3. durch den Produzenten Albin Grau, der eine große Affinität zu okkulten Stoffen hatte und der bei Schatten für die Architektur, Dekoration und Kostüme verantwortlich zeichnet. Grau hatte auch Einfluss auf den Inhalt des Films und gilt als der entscheidende Ideengeber.
Albin Grau ist in der deutschen Filmgeschichte kein Unbekannter. Er produzierte mit seiner kleinen Firma Prana-Film Nosferatu, hatte aber offenbar nicht die Buchrechte von Bram Stoker erworben. Es kam zu Regressforderungen, Grau verlor den Prozess, darüber ging seine Firma bankrott. So gründete er Pan-Film und produzierte mit dieser neuen Firma Schatten. Ursprünglich wollte er wieder Friedrich Wilhelm Murnau als Regisseur gewinnen, er stand jedoch aufgrund anderer Projekte nicht zur Verfügung. Wie in ‚The Devil’s Manor‘, einem der Spezialforen für Phantasy- und Horrorfilm nachzulesen ist, war Albin Grau mit dem Werk des französischen Okkultisten Eliphas Levi (1810-1875) und insbesondere seinem Buch ‚Dogme et rituel de la haute magie‘ (‚Transzendentale Magie. Dogma und Ritual der Hohen Magie‘) vertraut. In diesem Buch gibt es eine Szene, in der die segnende Hand eines Papstes im Schattenriss einen Dämon zeigt: “im Segen Gottes kündigt sich die Ankunft des Antichristen an”. Diabolisch wirkt auch der Schatten des Gauklers, der als unheimlicher Spielmacher all die unterdrückten Phantasien freisetzt.
Seine filmhistorische Würdigung erhielt Schatten in den beiden Standardwerken zum Weimarer Kino von Lotte Eisner (‚Die Dämonische Leinwand‘) und Siegfried Kracauer (‚Von Caligari bis Hitler‘), die den Film übereinstimmend als Meilenstein in der Entwicklung des deutschen Kinos bezeichnen. Nicht umsonst befindet sich auf dem Titelcover der ‚Dämonischen Leinwand‘ ein Filmstill aus Schatten. Schatten wird von anderen Autoren als Vorläufer für Hitchcocks Psycho und die Filme von Mario Bava gewertet.

Zur Überlieferung des Films / Filmrestaurierung
Die Restaurierung erfolgte auf der Grundlage eines Dup-Negativs einer amerikanischen Verleihversion des Museum of Modern Art, New York sowie einer viragierten Original-Nitro-Kopie mit französischen Zwischentiteln der Cinémathèque Française, Paris. Die Restaurierungsarbeiten begannen mit dem Abgleich aller existierenden Materialien, mit einem Nachvollziehen bisheriger Bearbeitungen und der „Archivierungsgeschichte“ des Films, um sich so nah wie möglich an die Originalversion anzunähern. Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass alle existierenden Materialien und Kopien auf zwei unterschiedlichen Originalnegativen basieren. Das erste Negativ, überliefert als Dup-Negativ des Museums of Modern Art, entsprach den Kopien aus Deutschland (Cinémathèque Française) und den Vereinigten Staaten (Museum of Modern Art) und höchstwahrscheinlich auch der Kopie aus Spanien (Filmoteca Espanola). Das zweite Negativ, überliefert durch ein Nitro-Dup-Negativ, das in den 1940er Jahren von einer englischen Verleihkopie hergestellt wurde, unterschied sich vom ersten darin, dass es aus verschiedenen Aufnahmen – meistens mit sehr unterschiedlichen Handlungen und Kameraeinstellungen – zusammengeschnitten wurde. Dieses zweite Negativ bildete die Grundlage zur Herstellung von Kopien, die in Filmarchiven in London und Mailand aufbewahrt werden. Gemäß aller aufgefundenen Dokumente wurde der Film ohne Zwischentitel uraufgeführt (bis auf die Einleitungstitel). Die aufgrund verschiedener Beschwerden durch Verleiher und Zuschauer später hinzugefügten Zwischentitel fanden in der rekonstruierten Fassung keine Berücksichtigung. (Autor: Luciano Berriatúa)

BIOGRAPHIEN: MUSIKPRODUKTIONREGIEKOMPONIST –DARSTELLER

Johannes Kalitzke (*1959): Musik
Johannes Kalitzke studiert Klavier, Dirigieren und Komposition an der Musikhochschule in Köln, darauf folgt ein Studium der elektronischen Musik. Er gilt als ausgezeichneter Interpret klassischer und moderner Musik und hat regelmäßig Gastdirigate bei den im Bereich der zeitgenössischen Musik führenden Ensembles, Sinfonieorchestern und Opernhäusern. Schwerpunkt seiner musikalischen Arbeit ist jedoch die Komposition, insbesondere für Oper – zuletzt als Auftragswerk der Oper Heidelberg PYM – und Kammerensemble. Seine orchestrale Filmmusik für DIE WEBER (1927) ist im Moment die international meistgespielte Stummfilmmusik, u.a. vom ensemble modern; sie wurde im Juli 2013 von ZDF/ARTE koproduziert.

Arthur Robison (1883 – 1935): Regisseur
Der Regisseur und Drehbuchautor Arthur Robison wird am 25. Juni 1883 in Chicago (Illinois, USA) als Sohn eines Deutsch-Amerikaners geboren, wächst aber in Deutschland auf. Nach dem Abschluss seines Medizinstudiums in München kommt er 1914 über die Schauspielerei zum Film. 1916 gibt er sein Regiedebüt mit NÄCHTE DES GRAUENS. Bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1935 dreht Robison 20 Filme in den USA und Deutschland, für die er teilweise auch das Drehbuch verfasst. Sein wichtigster und bekanntester Film ist SCHATTENEINE NÄCHTLICHE HALLUZINATION von 1923.

Fritz Kortner (1892 – 1970 / Eifersüchtiger Ehemann)
Der Wiener Fritz Kortner zeichnet sich durch eine vielseitige Karriere als Schauspieler, Film- und Theaterregisseur sowie Verfasser von Drehbüchern und Theaterstücken aus. Seine Schauspielkarriere startet er zunächst am Theater, doch schon während des Ersten Weltkrieges spielt er in Filmen mit, in denen seine ausdrucksstarke Darstellung voll zur Geltung kommt. Zur Zeit der Weimarer Republik ist neben Emil Jannings und Paul Wegener einer der angesehensten Schauspieler. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen Schatten (1923), Orlac’s Hände (1924) und Die Büchse der Pandora (1928). Kurz nach Abschluss seiner Regiearbeit bei Der Brave Sünder (1931) mit Heinz Rühmann, emigriert Kortner wegen des aufkommenden Nationalsozialismus aus Deutschland. Sein Weg führt ihn über Frankreich, Großbritannien, New York und Hollywood, 1949 schließlich wieder zurück nach München. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Kortner nur noch selten selbst im Film zu sehen, er avanciert zur Regie-Ikone des Theaters im Nachkriegsdeutschland. Insgesamt tritt Fritz Kortner zwischen 1915 und 1968 in etwa einhundert Filmen auf.

Ruth Weyher (1901 – 1983 / Ehefrau)
Noch während ihres Besuchs der Schauspielschule des Deutschen Theaters Berlin von 1919-1920 bekommt Ruth Weyher ihre erste Filmrolle in DER HIRT VON MARIA SCHNEE (1919). In der Stummfilmzeit spielt sie in Filmen mit wie SCHATTENEINE NÄCHTLICHE HALLUZINATION (1923), GEHEIMNISSE EINER SEELE (1926) und DIE KEUSCHE SUSANNE (1926). Ihre eigene Produktionsfirma, die Ruth Weyher-Film GmbH, stellt nur einen Film her: WAS IST LOS MIT NANETTE (1929). Nach dem Aufkommen des Tonfilms tritt sie nur noch selten in Erscheinung, z.B. in IM KAMPF MIT DER UNTERWELT (1930), und gibt ihren Beruf schließlich Anfang der 1930er Jahre auf.

Gustav von Wangenheim (1895 – 1975 / Liebhaber der Ehefrau)
Der Schauspieler, Regisseur und Dramaturg Gustav von Wangenheim entstammt einer Schauspielerfamilie und besucht ab 1912 die Schauspielschule Max Reinhardts. Neben Tätigkeiten für die Bühnen in Wien, Darmstadt und Berlin, gibt er 1915 in PASSIONELS TAGEBUCH sein Filmdebüt. Er spielt unter den bekanntesten Stummfilmregisseuren: KOHLHIESELS TÖCHTER (1920) von Ernst Lubitsch, NOSFERATUEINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1921) von F.W. Murnau, sowie FRAU IM MOND (1929) von Fritz Lang. Aufgrund seines politischen Engagements emigriert von Wangenheim 1933 in die Sowjetunion, wo er als Dramaturg und Schriftsteller aktiv bleibt. Nach 1945 lebt er in der DDR und arbeitet dort als Regisseur und Drehbuchautor für die DEFA.

Alexander Granach (1890 – 1945 / Schausteller)
Alexander Granach besucht ab 1909 die Schauspielschule Max Reinhardts in Berlin und debütiert 1919 im Film DAS GOLDENE BUCH. Der Höhepunkt seines Schaffens liegt in der Stummfilmzeit. Hier tritt er in Hauptwerken des expressionistischen Films auf wie F.W. Murnaus NOSFERATUEINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1921), Arthur Robisons SCHATTENEINE NÄCHTLICHE HALLUZINATION (1923) sowie Leopold Jessners ERDGEIST (1923). Nach wenigen Rollen im deutschen Tonfilm muss er aufgrund seiner politischen Einstellung und seiner jüdischen Herkunft emigrieren. 1938 landet er über Umwege in Hollywood und spielt in Ernst Lubitschs NINOTSCHKA (1939), Fritz Langs AUCH HENKER STERBEN (1943) und Sam Woods WEM DIE STUNDE SCHLÄGT (1943).

REZENSIONEN
Dieser Film, von dem in Deutschland aufgewachsenen Amerikaner Robison gedreht, zeigt meisterhaft den im romantischen und expressionistischen deutschen Stummfilm zur Vollendung entwickelten dramaturgischen Gebrauch von Licht, Schatten und Spiegeln.
(Die Zeit, Nr. 28, 1973)

»Das Eifersuchtsdrama gewann durch die unterlegte Musik von Johannes Kalitzke enorm an Wucht und Dramatik. Elf Musiker entfachten ein Feuerwerk an Gefühlen. Wer bisher nicht verstanden hat, was zeitgenössische Musik leisten kann, erlebte ein eindrucksvolles Beispiel.« WAZ anlässlich der Premiere bei den Wittener Kammermusiktagen im April 2016

[Arthur Robison] handhabt seine Schatten ebenso geschickt wie der kleine Illusionist des Films. Suggestiv werfen dessen flinke Hände im Kerzenlicht Schattenspiele an die Wand, Fratzen verzerren sich, hinter erleuchteten Fenstern huschen Silhouetten, wie sie auch Murnau im LETZTEN MANN zeigt. […]
Jene Schatten wissen auch das Auge zu täuschen: hinter den durchsichtigen Vorhängen einer Glastür belauert der eifersüchtige Gatte gierige Schattenhände, die nach seiner Frau greifen. Eine neue Einstellung zeigt uns die Kehrseite der Situation – die junge Frau dreht sich vor ihrem Spiegel hin und her, während hinter ihr ihre Anbeter mit den Händen die Rundungen ihres Körpers in der leeren Luft nachzeichnen. Ein anderes Mal glaubt der Eifersüchtige, das geheimnisvolle Einverständnis schuldiger Hände, die sich halten, zu überraschen; und wieder sind es nur die Schatten getrennter Hände, die ineinandergleiten. Die Zweideutigkeit der Schatten hat in diesem Film einen Freudschen Sinn: der kleine Taschenspieler läßt die Schatten der Handelnden verschwinden und öffnet so die Schleusen all ihrer geheimsten Begierden. Jene Phantasmagorie wird bedeutungsschwer: die Schatten treten an die Stelle der Lebenden, die während des Schauspiels zu leblos erstarrten Zuschauern ihres eigenen Geschicks werden; die Phasen ihrer Existenz, die sich zu Beginn des Films mit einem schweren Ritardando abgerollt haben, scheinen sich zu überhasten, einem tödlich verlaufenden Ende zuzustürzen. (Lotte Eisner: Die dämonische Leinwand, S. 134)

Extras

SCHATTEN. EIN MUSIKALISCHER IRRGARTEN (6 Min.)
Film zur Ensemblemusik für 10 Instrumente und Live-Elektronik von Johannes Kalitzke für den Stummfilm SCHATTEN. Eine nächtliche Halluzination (D 1923) von Arthur Robison
Auftragswerk von ascolta, WDR, ZDF/ARTE

Inhaltsübersicht

SCHATTEN
Eine nächtliche Halluzination (1923)
Ein Film von Arthur Robison
Manuskript nach einem Entwurf von Albin Grau
Bearbeitet von Rudolf Schneider und Arthur Robison
Bauten und Kostüme: Albin Grau
Photographie: Fritz Otto Wagner
Regie: Arthur Robison

Der Mann: Fritz Kortner
Die Frau: Ruth Weyher
Der Jüngling: Gustav von Wangenheim
Drei Kavaliere: Eugen Rex, Max Gülstorff, Ferdinand von Alten
Die Diener: Fritz Rasp, Carl Platen
Die Zofe: Lilli Herder
Der Gaukler: Alexander Granach

Restaurierung: Luciano Berriatúa, L’Immagine Ritrovata, Bologna
Material: Cinémathèque francaise, Museum of Modern Art
Musik: Johannes Kalitzke
Auftragswerk von Ensemble ascolta, WDR, ZDF/ARTE
Einspielung: Ensemble ascolta
Bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik 2016
Redaktion: Nina Goslar (ZDF/ARTE), Harry Vogt (WDR3)

Kapitel
Vorspann
Am Abend
Gäste kommen
Der Gaukler
Die Nacht
Schattentheater
Hynose
Der Jüngling
Eifersucht
Zum Schwert
Die Gefesselte
Im Wahn
Erwachen
Am Morgen
Abspann

Credits
Darsteller: Fritz Kortner, Ruth Weyher, Gustav von Wangenheim, Alexander Granach,
Kamera: Arno Wagner
Musik: Johannes Kalitzke, eingespielt vom Ensemble ascolta
Regie: Arthur Robison

Produktionsland: D
Produktionsjahr: 1923
Pressestimmen

»Einer der faszinierendesten deutschen Stummfilme. “Schatten” ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass der Stummfim im kulturellen Gedächtnis wieder eine Rolle spielt.« Die Deutsche Bühne 2017/2, Wilhem Roth

»Das Eifersuchtsdrama gewann durch die unterlegte Musik von Johannes Kalitzke enorm an Wucht und Dramatik. Elf Musiker entfachten ein Feuerwerk an Gefühlen. Wer bisher nicht verstanden hat, was zeitgenössische Musik leisten kann, erlebte ein eindrucksvolles Beispiel.« WAZ anlässlich der Premiere bei den Wittener Kammermusiktagen im April 2016

“Fazit: ein Muss für Fans des expressionistischen Kinos! Da denkt man nun, man kennt alle Perlen des klassischen deutschen Stummfilms und dann kugeln plötzlich solche Perlen aus der Rumpelkammer: Abgesehen vom damals noch üblichen Overacting wirkt „Schatten“ selbst nach heutigen Maßstäben immer noch modern und aufregend. Das Spiel aus Schatten, Farben und Hintergrund-Musik, das ganz ohne Texttafeln arbeitet, wirkt immer noch ausgesprochen faszinierend. Eine Empfehlung vor allem für Cineasten und Freunde des expressionistischen Kinos.” oiger.de

»Dieser Film, von dem in Deutschland aufgewachsenen Amerikaner Robison gedreht, zeigt meisterhaft den im romantischen und expressionistischen deutschen Stummfilm zur Vollendung entwickelten dramaturgischen Gebrauch von Licht, Schatten und Spiegeln.« DIE ZEIT

“Großartig ist zunächst einmal, wie Robison diese Geschichte ohne jeden Zwischentitel erzählt, meisterhaft ist dann aber auch das Spiel von Kameramann Fritz Arno Wagner mit Licht und Schatten – und auch Spiegel dürfen freilich nicht fehlen. Punktgenau ist auch der Schnitt, der für Rhythmus sorgt, und im Wechsel von Totalen, Großaufnahmen und Details den Blick des Zuschauers lenkt und Spannung erzeugt.” Kultur-online

»[Arthur Robison] handhabt seine Schatten ebenso geschickt wie der kleine Illusionist des Films. Suggestiv werfen dessen flinke Hände im Kerzenlicht Schattenspiele an die Wand, Fratzen verzerren sich, hinter erleuchteten Fenstern huschen Silhouetten, wie sie auch Murnau im LETZTEN MANN zeigt. […]
Jene Schatten wissen auch das Auge zu täuschen: hinter den durchsichtigen Vorhängen einer Glastür belauert der eifersüchtige Gatte gierige Schattenhände, die nach seiner Frau greifen. Eine neue Einstellung zeigt uns die Kehrseite der Situation – die junge Frau dreht sich vor ihrem Spiegel hin und her, während hinter ihr ihre Anbeter mit den Händen die Rundungen ihres Körpers in der leeren Luft nachzeichnen. Ein anderes Mal glaubt der Eifersüchtige, das geheimnisvolle Einverständnis schuldiger Hände, die sich halten, zu überraschen; und wieder sind es nur die Schatten getrennter Hände, die ineinandergleiten.
Die Zweideutigkeit der Schatten hat in diesem Film einen Freudschen Sinn: der kleine Taschenspieler läßt die Schatten der Handelnden verschwinden und öffnet so die Schleusen all ihrer geheimsten Begierden. Jene Phantasmagorie wird bedeutungsschwer: die Schatten treten an die Stelle der Lebenden, die während des Schauspiels zu leblos erstarrten Zuschauern ihres eigenen Geschicks werden; die Phasen ihrer Existenz, die sich zu Beginn des Films mit einem schweren Ritardando abgerollt haben, scheinen sich zu überhasten, einem tödlich verlaufenden Ende zuzustürzen.«
Lotte Eisner: Die dämonische Leinwand

SCHATTEN aus der nzm-Kritik.
https://www.nmz.de/artikel/buendnisse-schliessen-und-sichtbar-machen
Musik/Film/Cineastisches
Wie begegnet ein Komponist der Falle des freiwillig-unfreiwillig Illustrativen? Am besten, indem er der Gefahr unerschrocken ins Auge schaut, wird sich Johannes Kalitzke gesagt haben. Fürs Genre Neukomponierte Begleitmusiken zu Stumm­filmen hat er ja mittlerweile eine regelrechte Passion entwickelt. Am Pult vor einem erweiterten, auch klanglich vielfältig nachgerüsteten Ensemble Ascolta leitete Kalitzke mit der Präzision eines Uhrwerks durch seine bewegte 80-Minuten-Partitur zu Arthur Robisons „Schatten“.
 
Der restauriert-rekonstruierte Stummfilm aus dem Jahr 1923 mit einer Garde berühmter Darsteller um die jungen Fritz Kortner und Alexander Granach evoziert ein Fantasy-Drama um männliche Eifersucht und weibliche Verführungslust. Ein Plot, der heute spürbare Längen hat, wogegen sich Kalitzke zur Wehr setzte mit einem pulsierenden Orchestersatz, den er selber mit einem Karussell verglich, auf dem die Gäste während der Fahrt pausenlos die Pferde wechseln. Gegen die Voraussehbarkeit auf der Leinwand stellte der Komponist den Willen zur permanenten Durcharbeitung der Parcours- respektive Partitur-Verhältnisse. Das Ergebnis dürfte seine Zukunft insofern noch vor sich haben, als sich davon ja nicht nur die Filmfreunde unter den Musikliebha­bern, sondern auch die Musikfreunde unter den Cineasten angesprochen fühlen könnten.

Auszeichnungen

Premiere auf den Tagen für Neue Kammermusik Witten 2016

DVD
lieferbar
€ 8,90


Best. Nr.: 3009
ISBN: 978-3-8488-3009-1
EAN: 978-3-8488-3009-1
FSK: Infoprogramm

Länge: 85
Bild: PAL, S/W, 4:3, restaurierte Fassung
Ton: Dolby Stereo
Sprache: Deutsch
Regionalcode: codefree

Label: ARTE Edition
Edition: Arte Edition
Reihe: Stummfilm
Rubrik: Spielfilm, Stummfilm
Genre: Liebesfilm


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