Filmarchiv | Zeichen der Zeit
Zeichen der Zeit
Die Filme der Stuttgarter Schule 1956–1973 Regie: diverse Herausgeber: Kay Hoffmann, Haus des Dokumentarfilms Stuttgart
Der Titel »Zeichen der Zeit« war prägend für die Arbeit der SDR-Dokumentarabteilung. Mit Klassikern wie DER POLIZEISTAATSBESUCH über den Shah-Besuch 1967 und den Tod Benno Ohnesorgs, DIE UNZUFRIEDENEN FRAUEN oder TORTUR DE FRANCE verstanden es die Filmemacher vortrefflich, an der glänzenden Fassade der Wirtschaftswundergesellschaft zu kratzen. Leichte 16-mm-Kameras mit synchronem Ton eröffneten in den 1960er Jahren neue Möglichkeiten, sich der Wirklichkeit zu nähern. Die ironischen, zum Teil sarkastischen Kommentare und Montagen überraschten und provozierten. So gelang es den Filmemachern um Heinz Huber und Dieter Ertel, sich von der bis dahin dominanten Tradition des »Kulturfilms« zu distanzieren. Sie gewannen ein eigenes Profil und entwickelten zukunftsweisende Formen des Dokumentarfilms und der Reportage. Ihre Filme wirken bis heute.
- Extras
Bonusfilm: DAS BESTE AN DER ARD SIND IHRE ANFÄNGE (117 Min., 1990) von Meinhard Prill und Alexander Kluge
PDF-ROM-Teil: Manuskript der Diskussion über den Film DIE BUNDESWEHR im Süddeutschen Rundfunk (8.11.1956), Fotogalerie, PDF-Dateien mit weiteren Informationen zu den Filmen und Filmemachern
Mit einem ausführlichen Booklet mit Texten von Kay Hoffmann.
- Inhaltsübersicht
DVD 1 / POLITIK
Die Vergessenen (1956, R: Peter Dreessen), Der Polizeistaatsbesuch (1967, R: Roman Brodmann), Die ausgezeichneten Deutschen (1973, R: Roman Brodmann), Bonusfilm: Das Beste an der ARD sind ihre Anfänge (1990, R: Meinhard Prill und Alexander Kluge)DVD 2 / SPORT
Tortur de France (1960, R: Dieter Ertel), Die Borussen kommen (1964, R: Wilhelm Bittorf), Die Misswahl (1966, R: Roman Brodmann)DVD 3 / FRAUEN
Die unzufriedenen Frauen (1963, R: Wilhelm Bittorf), Eine Hochzeit (1969, R: Elmar Hügler), Wegnahme eines Kindes (1971, R: Elmar Hügler)DVD 4 / MILITARISMUS
Die deutsche Bundeswehr (1956, R: Heinz Huber), Schützenfest in Bahnhofsnähe (1961, R: Dieter Ertel), Eine Einberufung (1970, R: Elmar Hügler)DVD 5 / ARBEIT UND KULTUR
Ödenwaldstetten (1964, R: Peter Nestler), Der Untergang der Graf Bismarck (1967, R: Wilhelm Bittorf), Kunst und Ketchup (1966, R: Elmar Hügler), Fernsehfieber (1963, R: Dieter Ertel)- Credits
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Herausgeber: Kay Hoffmann, Haus des Dokumentarfilms Stuttgart
Regie: diverse
Weitere Ergebnisse der Personensuche: Peter Nestler, Alexander Kluge
Produktionsland: D
Produktionsjahr: 1956-73
- Pressestimmen
»Dieter Ertels Reportage „Schützenfest in Bahnhofsnähe“ (1961) konfrontierte die Fernsehzuschauer mit einem deutsch-nationalen Ritual, deren Anhänger es sich zum Ziel setzen, „das Schießen zu pflegen“. Auf die die boshafte Frage, warum man denn das Schießen heutzutage (1961!) eigentlich noch pflegen solle, erhielt der Interviewer von den zunehmend trunkenen Schützen Antworten, die es allein schon wert sind, sich die Edition zu kaufen. Die Redakteure wurden nach der Sendung in Leserbriefen als „vaterlandslose Gesellen“ beschimpft, die doch „nach drüben gehen“ sollten.
…
Die Bilder der jungen Frau, die den von der Polizei erschossenen Studenten Benno Ohnesorg im Arm hält, stammen von Brodmanns Kameramännern. Der Film, der diese allmählich hochkochende Konfrontation minutiös festhält, ist bis heute eines der aufschlussreichsten Dokumente aus den Anfängen der Studentenbewegung.« – Peter Zimmermann, literaturkritik.de»Wer sich für Gesellschaft und Kultur der höchst intensiven Nachkriegszeit interessiert, dem seien die ‹Zeichen der Zeit› wärmstens empfohlen. « Kunstbulletin Schweiz
»Diese Filme dokumentieren eine atemberaubende künstlerische Freiheit in einer Zeit, die heute als spießig und im Vergleich als viel unfreier wahrgenommen wird. Beim Betrachten dieser »old fashioned« wirkenden Dokumentarfilme zeigt sich aber ihre brennende Aktualität. Man stellt sich schnell die Frage, wann denn das Fernsehen eigentlic den Mut verloren hat, solche Werke zu senden.« DOK-Haus-Info
»Ein Blick zurück in eine Vergangenheit, als sich das Fernsehen noch Mut und Gesellschaftskritik geleistet hat.« Stuttgarter Zeitung
»Man gewinnt bei solchen Reportagen den Eindruck, als ob die wirklichen Talente des deutschen Films heute im Fernsehen ihr Wirkungsfeld gefunden haben.«
Der Tagesspiegel (1963)»Die Jüngeren werden sich das kaum noch vorstellen können: Es gab eine Zeit, da das Fernsehen sich als kritisches Medium verstand und das Wort »Bildungsauftrag« noch nicht als Schimpfwort interpretierte. Damals gab es eine informelle Gruppe von Dokumentarfilmern, die man später wegen einer gemeinsamen Grundhaltung und dem hohen Niveau, das sie teilten, mit dem Etikett »Stuttgarter Schule« versah – wie fast zur gleichen Zeit die literarische Gruppe um Max Bense, Helmut Heißenbüttel und Reinhard Döhl. … Ihre Heimat fand die »Stuttgarter Schule« in erster Linie in der Sendereihe Zeichen der Zeit, die von 1957 bis 1973 existierte und bis heute davon zeugt, was Fernsehen als eigenständige Kunstform sein könnte, wenn es sich nicht selbst aufgegeben hätte. … Nun liegen sie als DVD-Paket vor, ergänzt um einen inhaltlich wie formal hochinteressanten zweistündigen Film über die Anfänge der ARD, genauer: über den Dokumentarfilm im Fernsehen und über Zeichen der Zeit. Er trägt die Handschrift des bedeutendsten Erben dieser Tradition, die Handschrift von Alexander Kluge.« Titel-magazin.de, Thomas Rothschild, 20.10.2011
»Diese große Ära der deutschenTV-Dokumentation ist also nicht durch eine bestimmte Ästhetik, durch einen formalen Kanon definiert, sondern durch etwas anderes. Zum einen durch den Vorsatz, immer das Bestmögliche zu liefern, also Menschen zu interessieren, die zum Beispiel von Kinobildern verwöhnt waren. Zum anderen aber durch Courage, durch Konfliktbereitschaft, durch aufklärerischen Eifer.« Stuttgarter Zeitung, Thomas Klingenmaier, 20.10.2011
»Die wichtigsten Produktionen der “Stuttgarter Schule” gibt es jetzt in einer vorzüglichen DVD-Edition von Absolut Medien. Sie wurde von dem Dokumentarfilm-Experten Kay Hoffmann kuratiert. … verdienstvoll.« SWR, Herbert Spaich, 5.12.2012
»Angesichts dessen, was dieser Tage im Fernsehen zu sehen ist, staunt man mitunter, wenn man erfährt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender einst durchaus ein Ort der Avantgarde und eine Spielwiese für Experimente waren. Das gilt insbesondere für den SDR (heute SWR), in dessen Dokumentarfilmabteilung man in der Adenauer-Ära bis zur Zeit der Studentenunruhen einen Stil entwickelte, der in ganz Deutschland und nicht nur dort Furore machen sollte. Eine reich ausgestattete Box mit fünf DVDs verschafft nun einen Überblick über diese sogenannte Stuttgarter Schule. Mit dabei ist natürlich DER POLIZEISTAATSBESUCH … Dieser mit Sicherheit bekannteste Dokumentarfilm des SDR und einer der berühmtesten Dokumentarfilme überhaupt hat Geschichte geschrieben, auch Filmgeschichte. Weit weg von der Pseudo-Objektivität ihrer Vorgänger traute sich dieses Dokumentarfilmschaffen, Stellung zu beziehen und dezidiert polemisch zu sein. Das zeigt sich schon an den hintersinnig-bösen Filmtiteln … Und die noch heute verblüffende Kameraarbeit tut das Ihrige, um den deutschen Mief der Fünfziger und Sechziger zu entlarven. Da watschelt etwa eine Schar Gänse neben einer Gruppe Schützenfest-Teilnehmerinnen in dieselbe Richtung, was denn auch prompt dazu führte, dass es beim SDR Protestbriefe von patriotischen Bürgern hagelte. Auch deswegen könnte man beim Betrachten dieser Filme nostalgisch werden: nicht nur darüber, dass Fernsehen einst so angriffig war, sondern auch darüber, dass sich das Publikum früher noch so provozieren liess.« Filmbulletin, Johannes Binotto, Dezember 2011
»… dieser Spagat zwischen Information, kritischer Grundhaltung, satirischer Distanz und
unterhaltsamer Aufbereitung ist in der heutigen Zeit im Dokumentarfilmsektor leider viel zu selten zu finden. … eine hochinteressante Zusammenstellung.« Splashmovies.de
Zeitgenössische Kritiken:
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Über DER POLIZEISTAATSBESUCH: »Herrschende und Beherrschte: Nie wurde die Kluft zwischen beiden mit so viel kritischer Verve, so viel grimmigem Witz und so viel zarter Überzeugungskraft dargestellt. Der Schah und die Studenten von Berlin, die Majestäten, die Polizei und die Leute: Eindringlicher – und geistreicher! – kann man nicht zeigen, was um den 2. Juni herum in unserem Land geschah…«
Momos: Ein Meisterstück. In: Die Zeit. 4.8.1967Über DIE UNZUFRIEDENEN FRAUEN: »Der geschundenen Existenz der Arbeitssklaven an Maschine und Fließband stellte die Sendung ironisch die Leitbilder gegenüber, die Filmindustrie und Frauenzeitschriften propagieren: ein Dasein zwischen Vollkomfortküche, Hausbar und Automobil, in dem die Frau zugleich Hausmutter, Karrierefrau und Geliebte sein soll. Die vorzüglich photographierte, geschnittene und kommentierte Sendung schloß mit einer Aufforderung an die Männer, die Frauen ‘nicht zu besitzen, sondern zu begreifen’. Man gewinnt bei solchen Reportagen den Eindruck, als ob die wirklichen Talente des deutschen Films heute im Fernsehen ihr Wirkungsfeld gefunden haben.«
K. F.: Unzufriedene Frauen. In: Der Tagesspiegel. 9.2.1963Über ÖDENWALDSTETTEN: »Was Peter Nestler und Kurt Ulrich in der Schwäbischen Alb-Gemeinde ‘Ödenwaldstetten’ erfuhren – Einbruch der modernen Welt in die bäuerliche Lebensform eines Dorfes -, ist schon mehrfach gezeigt worden. Wie sie den Zuschauer gleichsam mit eigenen Augen Umschau halten, sich Auskunft bei den Einheimischen geben lassen, das war neu und von unmittelbarer Eindringlichkeit.«
N.N.: Ödenwaldstetten. In: Die Welt. 22.8.1964Über GRAF BISMARCK: »Kein sonderlich aufregendes Thema für die Menschen außerhalb des Reviers, sollte man meinen. So oft wurden wir im Laufe der letzten Zeit mit diesem Thema konfrontiert. Das stumpft ab. Diesmal war alles ganz anders. Diesmal war man dabei. Diesmal ging es unter die Haut. Unsentimental, präzise und direkt.«
t.: Der Untergang der „Graf Bismarck“. In: Hamburger Abendblatt. 16.3.1967Über FERNSEHFIEBER: »Weit entfernt von jeglicher Selbstbeweihräucherung und ‘Schleichwerbung’ nahm sich das Fernsehen in dieser vorzüglichen Sendung selbst unter die kritische Lupe, stellte die positive Wirkung seiner Bannkraft in Frage und konstatierte ein bißchen erschrocken und zumindest beunruhigt, daß im Ruhrgebiet nur drei von 85 Befragten die geistige Freiheit besitzen, das Gerät auch einmal abzuschalten.«
S.W.: Am Bildschirm. In: Duisburger Generalanzeiger. 27.6.1963
mit Booklet
nicht mehr lieferbar
Best. Nr.: 547
ISBN: 978-3-89848-547-0
EAN: 978-3-89848-547-0
FSK: Infoprogramm
Länge: 733
Bild: PAL, Farbe + s/w, 4:3
Ton: Dolby Mono/Stereo
Sprache: Deutsch
Regionalcode: codefree
Label: absolut MEDIEN/Große Dokumentaristen
Edition: Die großen Dokumentaristen
Reihe: Die großen Dokumentaristen
Rubrik: Dokument
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