Film | MIR IST ES EGAL, WENN WIR ALS BARBAREN IN DIE GESCHICHTE EINGEHEN.
MIR IST ES EGAL, WENN WIR ALS BARBAREN IN DIE GESCHICHTE EINGEHEN.
Regie: Radu Jude
Die junge Regisseurin Mariana Marin plant eine groß angelegte, radikale Theateraufführung zu Rumäniens Beteiligung am Holocaust. Unter General Antonescu wurde der massive Antisemitismus in der rumänischen Gesellschaft zur offiziellen Vernichtungspolitik erklärt, seine Rolle und die seiner Regierung im Zweiten Weltkrieg wird aber bis heute glorifiziert. Vom damaligen Massenmord will niemand mehr etwas wissen. Mit einem Reenactment der damaligen Ereignisse soll das Theaterstück das Publikum aufrütteln, doch bereits vor der Premiere zeigen sich zahlreiche Probleme: es gibt Unmut unter den Komparsen, ein Abgesandter der Stadtregierung möchte das Stück zensieren
und auch in Marianas Privatleben läuft nicht alles glatt. Die als Weckruf konzipierte Performance gerät Schritt für Schritt zur Farce…
Nachstellung militärgeschichtlicher Ereignisse – Hannah Arendt – Show – 1941, “das Jahr, das immer wiederkehrt”, aus der Perspektive des Jahres 2018 – Zitate – Schusswaffen – Archivmaterial – das Massaker von Odessa – 16 mm und Video – Militärhistorisches Museum – Negationismus – Videomapping – Burleske – Dialoge – Fanfare – Isaac Babel – fragmentierte Erzählung – Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren – Trivialisierung durch Vergleich – Drehbuch von Marschall Antonescu – Feuer – Regie Radu Jude – mit Ioana Iacob, Alexandru Dabija, Alex Bogdan – Kasernenwitze – normale Leute – nunca más! – gegenwärtige Vergangenheit, vergangene Gegenwart.
Radu Judes neuer Spielfilm findet einen ganz eigenen Ton für ein schwieriges Thema: die selektive Erinnerungspolitik im heutigen Europa. Zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem Blick in moralische Abgründe und einer ironischen Leichtigkeit gelingt ihm eine facettenreiche Reflexion über
Geschichtsvergessenheit. Ein Film, der auch das Scheitern von politischer Kunst thematisiert – und dabei als politisches Kunstwerk brilliert.
ÜBER DEN FILMEMACHER
Radu Jude studierte an der Medienuniversität Bukarest. Als Regieassistent arbeitete er an Filmen wie: Der Stellvertreter (Costa-Gavras, 2002), Furia (Radu Muntean, 2002) und Der Tod des Herrn Lazarescu (Cristi Puiu, 2005). Sein erster Langspielfilm The Happiest Girl in the World hatte bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2009 Premiere und erhielt dort den C.I.C.A.E.-Preis. Mit Everybody in Our Family gewann er den Hauptpreis auf dem Sarajevo Film Festival. Mit Aferim! nahm er 2015 am Wettbewerb der Berlinale teil und gewann den Silbernen Bären für die beste Regie. Vernarbte Herzen, Judes auf den Werken und der Lebensgeschichte des Schriftstellers M. Blecher basierender Spielfilm von 2016, wurde in Locarno mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Sein Film “Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen” wurde auf dem Internationalen Filmfestival Karlovy Vary 2018 mit dem Crystal Globe for Best Feature Film ausgezeichnet.
Filmographie:
2003: Wrestling
2004: The Black Sea
2006: Alexandra – Kurzfilm
2006: The Tube with a Hat (Lampa cu caciula) – Kurzfilm
2007: In the Morning (Dimineata) – Kurzfilm
2009: The Happiest Girl in the World (Cea mai fericita fata din lume)4
2011: A Film for Friends (Film pentru prieteni)
2012: Everybody in Our Family (Toată lumea din familia noastră)
2015: Aferim!
2016: Scarred Hearts – Vernarbte Herzen (Inimi cicatrizate)
2017: ara moartă (The Dead Nation), Ț Dokumentarfilm
2018: Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen
(Îmi este indiferent dacă în istorie vom intra ca barbari)
- Credits
-
Darsteller: Ioana Iacob, Alexandru Dabija, Alex Bogdan,
Regie: Radu Jude
Produktionsland: RO/BG/D/F/CZ
Produktionsjahr: 2018
- Pressestimmen
“Eine kluge Sommerkomödie über das Gedenken an den Holocaust? Radu Jude gelingt das scheinbar Unmögliche.” Spiegel
„Eine vielschichtige Parabel über Wahrheit und Täuschung mit viel Witz, ohne je den ernsten Hintergrund des Themas zu verraten.“ Süddeutsche Zeitung
“Die selektive Erinnerungspolitik ist in dem brillanten, vor Materialfülle nur so berstenden Film ebenso Thema wie das Scheitern von politischer Kunst.” Film Dienst
“Ein Lehrstück mit Marschliedern, der Schauwert kämpft gegen den Erkenntniswert, die Handys der Zuschauer klicken, wenn Feuer an die Baracke gelegt wird, in der die Juden stecken.” Süddeutsche Zeit
„Jude zelebriert sein Kino hier mit einer schwebenden Wucht, die nichts mit bemühter Intellektualität zu tun hat.“ Jugend ohne Film
“Erzählt wird Geschichte von ihren Rändern her, über unzählige Fragmente. Dabei ist der Film mal schockierend, mal grotesk und mal komisch. Immer wieder gibt es Schnitte und Brüche, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen dokumentarischem Material und manierierten Nachstellungen, zwischen Schwarzweiß und Farbe. Über diese Schnitte und Brüche fügt sich ein kaleidoskophaftes Geschichtsbild zusammen.” Perlentaucher
“Radu Jude lässt sich auf keine Argumentationsebene festlegen, er sucht nach überraschenden Bildern und Blickkonstellationen, um das Dilemma der Erinnerungsarbeit zu erzählen. Und ruft dabei ständig neue Erzählregister ab, von der überdrehten Absurdität des modernen Sprechtheaters bis zur Medienarchäologie.” Tagesspiegel
“Ist das nun ironisch, aggressiv, wahr? Es ist grotesk, es ist komisch, es trifft die Verdrängung von Geschichte, es bestätigt die Allmacht der Gegenwart, in der es nur ums eigene Befinden, den Spaß und die Selbstdarstelllung geht. Das ist in diesem Spektakel bösartig und komisch zugleich. Judes Film trifft den geschichtslosen Zustand der aktuellen Gesellschaft um Längen besser als noch so bemühte intellektuelle Werke, die an Moral, Aufarbeitung und gesellschaftliche Verantwortung appellieren.” Konkret
„Dialogreich, mutig strukturiert und stark gespielt.“ TV Movie
“Eine resolute Theaterregisseurin will mit einer ‘Volkstheater’-Aufführung eine Debatte über
Rumäniens Beteiligung am Holocaust unter General Ion Antonescu anstoßen. In Form eines
Reenactments soll das Massaker von Odessa im Jahr 1941 in das kollektive Bewusstsein
zurückgeholt werden. Reaktionär gesinnte Komparsen und der Widerstand von
Entscheidungsträgern machen ihr jedoch die Arbeit schwer. Komplexer, hochdiskursiv
aufgebauter Geschichtsaufarbeitungsfilm über den marginalisierten oder schlicht geleugneten Antisemitismus Rumäniens. Die selektive Erinnerungspolitik ist in dem brillanten, vor Materialfülle nur so berstenden Film ebenso Thema wie das Scheitern von politischer Kunst”. Fillmdienst“Brillant führt Jude so nicht nur offizielle Geschichtsbilder vor, sondern zeigt, dass diese ständig aufs Neue hinterfragt und dekonstruiert werden müssen. Gleichzeitig fragt diese Tragikomödie aber auch nach den Möglichkeiten politischer Kunst und kritisiert den Druck und die Zensur von öffentlichen Stellen.” film-netz
„Radu Jude nähert sich einem potenziell schweren Thema mit seinem üblichen ironischen Humor und seinem scharfen Auge für fehlerhafte, fehlbaren Menschen.“ Hollywood Reporter
“Eine schillernd dialektische und gewagte Komödie, die Vergangenheit und Gegenwart gekonnt zusammenbringt und uns immer wieder herausfordert, den unangenehmeren Aspekten unserer Geschichte zu stellen.“ Screen International
- Auszeichnungen
Karlovy Vary International Film Festival 2018 – Grand Prix Crystal Globe
Karlovy Vary International Film Festival 2018 – Europa Cinemas Label Award
Toronto International Film Festival 2018
Filmfest Hamburg 2018
Mostra Sao Paulo International Film Festival 2018
BFI London Film Festival 2018
Viennale 2018
Best. Nr.: 7045
ISBN: 978-3-8488-7045-5
EAN: 978-3-8488-7045-5
FSK: Infoprogramm
Originaltitel:
Îmi este indiferent dacă în istorie vom intra ca barbari
Länge: 139
Bild: PAL, Farbe, 16:9
Ton: Dolby Surround
Sprache: deutsche Fassung und rumänische Fassung
Untertitel: deutsche Untertitel
Regionalcode: codefree
Label: ARTE Edition
Edition: Arte Edition
Reihe: GRANDFILM
Rubrik: Spielfilm
Genre: Komödie
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