Filmarchiv | NORTE - Das Ende der Geschichte
NORTE - Das Ende der Geschichte
Regie: Lav Diaz
Dostojewskis Schuld und Sühne trifft auf poetischen Realismus. Ein verbitterter Jurastudent begeht einen brutalen Doppelmord; ein Familienvater muss seinen Kopf dafür hinhalten und bekommt eine harte Gefängnisstrafe; die Frau mit den zwei gemeinsamen Kindern streift übers Land auf der Suche nach einer Art Erlösung. Lav Diaz verwebt in NORTE die verschiedenen Erzählstränge der Evolution einer philippinischen Familie zu einem fulminanten, anspielungsreichen und spannenden Gesellschaftsroman, in dem sich der Kampf einer ganzen Nation spiegelt.
In seinem in Cannes gefeierten Meisterwerk entwirft er ein modernes Sittengemälde, das einem mit seiner filmischen Opulenz und mit seinem radikalen Nihilismus die Sprache verschlägt. Seine überlangen Filme wurde u.a. mit dem Goldenen Löwen (Venedig), dem Goldenen Leopard (Locarno), dem On Screen Award (Toronto) ausgezeichnet. NORTE gewann u.a. das 8. Internationale Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte.
Der bürgerliche Jurastudent Fabian hat genug von der modernen Gesellschaft und will endlich seine revolutionären Ideen in die Praxis umsetzen. Sein Opfer wird die Pfandleiherin seines
Wohnviertels: Er ermordet sie, doch die Spur des Verbrechens führt zu Joaquin, einem armen Schuldner der Ermordeten, der ohne Beweise zu einem Geständnis gebracht wird und für Jahre
in einem Hochsicherheitsgefängnis verschwindet. Zurück bleibt seine Frau mit den beiden Kindern, die nun alleine den täglichen Kampf ums Überleben meistern muss. Diese kurz angerissenen Handlungsstränge verwebt Lav Diaz zu einem fulminanten, anspielungsreichen und spannenden Gesellschaftsroman, in dem die individuellen Schicksale der ProtagonistInnen den Spiegel bilden für eine in den Jahrhunderten des Kolonialismus und den Jahrzehnten der Diktatur beschädigte Gesellschaft.
Die Langzeitbeobachtungen des Regisseurs schildern die individuellen Schicksale der ProtagonistInnen im Kontext der historischen Entwicklung der Philippinen mit einer nach den Jahrhunderten des Kolonialismus und den Jahrzehnten der Diktatur beschädigten Gesellschaft. Der philippinische Filmemacher Lav Diaz ist seit vielen Jahren mit seinem kolossalen Kino gern gesehener Gast auf der europäischen Festivalbühne. 2014 Jahr gewann er mit seinem fünfeinhalbstündigen Werk FROM WHAT IS BEFORE den Goldenen Leoparden in Locarno. 2016 wurde A LULLABY TO THE SORROWFUL MYSTERY bei der Berlinale mit dem Alfred-Bauer-Preis ausgezeichnet. 2016 wurde in Venedig auch sein neuester Film THE WOMAN WHO LEFT mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Der gut vierstündige Diaz-Film NORTE – DAS ENDE DER GESCHICHTE galt als der wahre Höhepunkt des Festivals in Cannes und als der eigentliche “Durchbruchsfilm” dieses außergewöhnlichen Geschichtenerzählers.
NORTE erscheint in der Reihe: Nuremberg International Human Rights Film Festival
Spannend, aufrüttelnd, innovativ – so präsentiert sich das bedeutendste Menschenrechtsfilmfestival Deutschlands in Nürnberg. Wer das aktuelle Spitzenkino dieser Welt verfolgt, der weiß längst, dass Filmkunst und politische Haltung für viele preisgekrönte Filmeschaffende kaum zu trennen sind. Sie gehen ästhetisch und formal ganz eigene Wege und definieren dabei immer wieder die Möglichkeiten des Kinos neu. Diesen Filmen ist das Internationale Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte gewidmet.
Die Highlights des engagierten Kinos sind nun auch jenseits des Festivals zu sehen und werden hier in loser Reihenfolge präsentiert.
ANMERKUNG DES REGISSEURS
Wenn man sich die Philippinen anschaut, sieht man, dass viele Menschen fast wie besessen sind von religiös-fundamentalistischen, evangelikalen Bewegungen. Das ist sehr extrem und sehr gefährlich. Die Menschen versuchen sich mit diesen Ideologien vor dem Unbekannten zu schützen, das sie als bedrohlich empfinden. Und dann gibt es den Norden. Der Norden ist der Ort, von dem aus sich der Faschismus in diesem Land ausbreitete. Der Norden ist die Heimat von Ferdinand Marcos. Deswegen habe ich den Film Norte genannt. Wenn man heute in den Norden geht, kann man eine sehr oberflächliche Entwicklung beobachten: Viele Leute arbeiten im Ausland und die schicken Geld. Und die Familie Marcos ist immer noch an der Macht. Die Tochter als Gouverneurin, die Mutter als Kongressabgeordnete, der Bruder als Senator da oben im Norden. Das ist ihr Königreich. Man bekommt eine düstere Ahnung davon, wenn man in den Norden fährt, eine Ahnung davon, was wir alle wegen dieser Gegend gelitten haben.
LAV DIAZ
Lav Diaz ist ein Meister des Erzählens und momentan sicherlich eine der herausragenden Persönlichkeiten im Autorenkino. Seine Filme finden weltweit große Beachtung und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. FROM WHAT IS BEFORE, sein neuster Film, gewann bei den diesjährigen Filmfestspielen in Locarno den Goldenen Leoparden. Schon in Cannes wurde NORTE als einer wichtigsten Filme des Festivals gefeiert und konnte seinen Siegeszug bei den Kinostarts in USA und England fortsetzen. Er gilt im internationalen Feuilleton als einer der besten Filme des Jahres. NORTE ist der erste Film von Lav Diaz, der in Deutschland in die Kinos kam.
Lav Diaz wurde 1958 in Datu Paglas, Maguindanao (Philippinen) geboren. Er studierte am Mowelfund-Film- Institut, arbeitete für eine Musikzeitschrift und experimentierte mit Fotografe und Schreiben. 1998 entstand sein Debutflm THE CRIMINAL OF BARRIO CONCEPTION. Seine Filme, die sich stark mit der Geschichte der Philippinen auseinandersetzen, sind auf internationalen Festivals präsent und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2014 gewann FROM WHAT IS BEFORE bei den Filmfestspielen in Locarno den Goldenen Leoparden. 2016 wurde A LULLABY TO THE SORROWFUL MYSTERY bei der Berlinale mit dem Alfred-Bauer-Preis ausgezeichnet. 2016 wurde in Venedig auch sein neuester Film THE WOMAN WHO LEFT mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
FILMOGRAFE (AUSWAHL):
ANG BABAENG HUMAYO – The Woman Who Left, 2016
HELE SA HIWAGANG HAPIS – A Lullaby to the Sorrowful Mystery, 2016
MULA SA KUNG ANO ANG NOON – From What Is Before, 2014
NORTE, HANGGANAN NG KASAYSAYAN – Norte, the End of History, 2013
FLORENTINA HUBALDO, CTE, 2012
BABAE NG HANGIN – Woman of The Wind, 2011
WALANG ALAALA ANG MGA PARU-PARO – Butterfies Have No Memory, 2009
MELANCHOLIA, 2008
KAGADANAN SA BANWAAN NING MGA ENGKANTO – Death in the Land of Encantos, 2007
EBOLUSYON NG ISANG PAMILYANG PILIPINO – Evolution of a Filipino Family, 2004
BATANG WEST SIDE – West Side Kid, 2002
- Inhaltsübersicht
Kapitel
1. Weltanschauung
2. Deus Ex Machina
3. Geldsorgen
4. Beatles Revolution
5. Autokratische Vorzüge
6. Rückforderung
7. Freundschaftsende
8. Untersuchungshaft
9. Reue
10. Häftlingsverlegung
11. Stehen am Abgrund
12. Im Gefängnis
13. Alleinerziehung
14. Bitte um Vergebung
15. Schuldgefühle
16. Zukunftsaussicht
17. Undankbarkeit
18. Zusammenbruch
19. Besuch im Gefängnis
20. Abspann- Credits
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Regie: Lav Diaz
Produktionsland: Phil
Produktionsjahr: 2013
- Pressestimmen
„Ein Kraftakt. Ein Triumph. Ein wahres Stück Kunst.“ New York Times
„Gigantisch… Euphorisch… Außerordentlich bewegend. Mit nichts zu vergleichen im zeitgenössischen Kino.“ Guardian„NORTE ist bitteres Moralstück und monströse Schicksalserzählung, die in der gedehnten Zeit ungeahnte Erfahrungs- und Reflexionsräume entstehen lässt." Kulturnews
“Der Film „Norte, the End of History“ von Lav Diaz porträtiert mit seinen Protagonisten die philippinische Gesellschaft. Dostojewski steht Pate und das evozierte Ende ist vieldeutig. So verbinden sich schließlich ästhetische Ideen, moralische Hybris und politische Geschichte zu einem prekären, mehrfachen Schlussbild, das letztlich den Titel des Films pointiert kommentiert: Das „Ende der Geschichte“ besteht in der Herausforderung, sie beginnen zu lassen.” FAZ“Diaz filmt oft aus der Distanz. Vieles geschieht ohnehin hinter einer Sichtbarriere im Bild oder gleich im Off. Wenn etwa im Gefängnis ein Mann vergewaltigt wird, sieht man das nicht, sondern hört es nur, während sieben, acht Häftlinge sich an das Gitter ihrer Zelle drängen. Sie sehen, was der Kinozuschauer nur hört, und das heißt auch: Es gibt ein Außen, etwas, was jenseits unserer Wahrnehmung liegt. Die Welt ist größer als die Leinwand.
Zudem verleiht die Langsamkeit der Kamerabewegungen dem Film eine große Ruhe. “Norte” verliert diese Ruhe auch dann nicht, wenn sich die Ereignisse zuspitzen. Der Rhythmus, in dem die kontemplativeren Sequenzen von einzelnen handlungsreichen Szenen durchbrochen werden, ist virtuos gesetzt." TAZ“Die gewalttätige Revolution ist in Norte eine Sackgasse, die Opfer letztlich doch immer die Unterprivilegierten. Dabei greift Diaz zwar streckenweise christliche Elemente auf, in der Institution der Kirche sieht er aber keine Erlösung. Die oder eine Ahnung davon bekommt sein Protagonist stattdessen in einem völlig unreligiösen Moment der Transzendenz.
Ein Gefühl der Schwerelosigkeit überkommt einen beim Sehen von Norte. Langsam wird man eingesogen in diesen wunderbaren Kinomoment und kann sich vom ruhigen Erzählrhythmus durch ein Epos über Schuld, Vergebung, Recht und Gerechtigkeit tragen lassen.” Critic-de“Längst ist der philippinische Filmemacher Lav Diaz bei den Kritikern rund um den Globus akzeptiert und verehrt als einer der ganz Großen des aktuellen Weltkinos. Einen Niederschlag in den deutschen Kinos hat dies aber bislang nicht gefunden. Höchste Zeit, dass sich das ändert. NORTE ist kein einfaches Werk, aber eines, dessen innere Kraft und äußere Schönheit und Haltung allerhöchsten Respekt und Bewunderung verdienen. Ziemlich sicher einer der besten und eindrucksvollsten Filme dieses an Höhepunkten nicht gerade armen Kinojahres.” Kino-Zeit.de
Zur Länge der Filme von Lav Diaz:
“Diaz’ exzessiv lange Filme verführen bis heute viele Kritiker dazu, sich über nichts als die Länge auszulassen. Um sie dann als entweder besonders intensiv oder besonders unerträglich zu bewerten. Sehr viel luzider ist da die Beurteilung des Kritikers und Diaz-Experten Michael Guarneri, der drei Gründe für die extreme Länge von Diaz’ Filmen nennt: die Manifestation von künstlerischer Unabhängigkeit vom Unterhaltungskino; die Rückkehr zu einer von Diaz in der präkolonialen, malaysischen Kultur verorteten Zeitvorstellung, die der Verwertung, Beherrschung, Einteilung oder Teleologie der Zeit keinerlei Wert beimisst und sich nur ihrem Vergehen hingibt; und schließlich die physische Konfrontation mit dem langen Leiden der philippinischen Bevölkerung. Man könnte aber auch sagen: Diaz’ Filme sind so lang, dass die Länge keine Rolle mehr spielt. Sie sind wahnsinnig lang. Bei Diaz ist die Zeit verrückt geworden.” Philipp Stadelmaier, Film Bulletin, 2017/4“Das Diaz-Kino ist trotz seiner hypnotischen Kraft zu konsequent und unerbittlich, um zwischen belanglosen Lustspielen und betulichen Liebesdingen vor allem französischer Provenienz als Arthouse-Häppchen serviert zu werden. Diaz knallt einem vielmehr gewaltige Brocken hin, von einer Substanz, an der man wesentlich länger, weit über die epische Laufzeit hinaus zu kauen hat…
Und wel Lav Diaz ein philippinischer Regisseur ist und sich entschlossen hat, die unterrepräsentierte, tragische Geschichte seines Landes aufzuarbeiten, hat sein Werk notwendigerweise alptraumhafte Züge, auch wenn es viele der zärtlichsten und subtil bewegendsten Szenen der jüngeren Filmgeschichte enthält.” Christoph Huber“Der junge, überdurchschnittlich begabte Jura-Student Fabian Viduya (Sid Lucero) ist ein postmoderner Skeptiker, der alles in Frage stellt. Die Eröffnungssequenz von Lav Diaz‘ epischem Film „Norte – The End of History“ zeigt den zunächst sympathischen Intellektuellen im politisch-philosophischen Gespräch mit Kommilitonen in einem Café. Fabian spricht vom Ende aller Gewissheiten, von einem allgemeinen Werteverlust und von der geschichtsvergessenen philippinischen Gesellschaft, in der er lebt. Woraus er für sich die Konsequenz zieht, dem universitären Leben den Rücken zu kehren und auszusteigen, was seine Freunde trotz unverhohlener Ironie aufrichtig bedauern. Doch während er in seiner privaten Lebensführung nach Vereinfachung und Genauigkeit strebt, gewinnt sein starkes Gerechtigkeitsempfinden immer radikalere Züge. Bis er sich schließlich zu einem brutalen Tyrannenmord an einer reichen Geldleiherin und deren Tochter hinreißen lässt.” Film Gazette
“Geduld und Hingabe sind für Diaz Ausdruck einer ethischen Haltung sowie Bedingung für Welt- und Selbsterkenntnis.” Der Landbote
“Wer sich Lav Diaz’ Werk nähern möchte, der muss sich im Klaren sein; Diaz hat ein Anliegen und er erreicht es, indem er seinem Zuschauer regelmäßig das Herz bricht. Mit einfachsten Mitteln, kalt, bitter, steinhart. in „Norte – Das Ende der Geschichte“ zeigt er eine Nation, die ihre Jugend verschlingt, sie grotesk verformt und dann im Dreck am Straßenrand liegen lässt. Voller Selbsthass und beißender Schuld. Was wird aus dem reinen Folgen des Instinktes? Die totale Entwertung jeglicher Menschlichkeit.” Moviebreak
“Eine über vierstündige lohnende Herausforderung ist NORTE, die einem mit seiner filmischen Opulenz die Sprache verschlägt. Diaz bewegendes monumentales Sittengemälde kann es mit Bertoluccis „1900“ ebenso aufnehmen wie mit Dostojewskis Gesellschaftspanoramen.” NWZ
- Auszeichnungen
Preise
OSCAR NOMINIERUNG: BESTER AUSLÄNDISCHER FILM
BESTE REGIE, CINEMANILA FILMFESTIVAL
BESTER FILM, CINEPHILE SOCIETY
GAWAD URIAN AWARDS: FÜR KAMERA, DREHBUCH, BESTE SCHAUSPIELERIN
Nuremberg International Human Rights Film Festival: HauptpreisNominierungen
Festival de Cannes (Un Certain Regard)
Cinemanila International Film Festival (Best Film/Lino Brocke Award)
Gawad Urian Awards (Best Director, Best Actor, Best Supporting Actor, Best Music, Best Editing, Best Sound)
Golden Screen Awards, Philippinen (Best Motion Picture/Drama, Best Director, Best Screenplay, Best Original Story)
Film Independent Spirit Awards (Best Foreign Film)
London Film Critics’ Circle Awards (Best Foreign Language Film of the Year)
nicht mehr lieferbar
Best. Nr.: 7020
ISBN: 978-3-8488-7020-2
EAN: 978-3-8488-7020-2
FSK: ab 12 Jahren
Länge: 250
Bild: PAL, Farbe, 16:9
Ton: Dolby Stereo
Sprache: Originalfassung
Untertitel: deutsche Untertitel
Regionalcode: codefree
Label: absolut MEDIEN
Reihe: Nuremberg International Human Rights Film Festival, GRANDFILM