Filmarchiv | DIE GETRÄUMTEN Ingeborg Bachmann - Paul Celan
DIE GETRÄUMTEN Ingeborg Bachmann - Paul Celan
Regie: Ruth Beckermann
Um Liebe und Hass, um richtige und falsche Worte, geht es in „Die Geträumten“. Im Zentrum stehen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, die sich im Wien der Nachkriegsjahre kennen und lieben lernten. Ihr Briefwechsel bildet die Textgrundlage. „Der wohl ungewöhnlichste Liebesfilm des Jahres!“ Der Standard
Die dramatische, rauschhafte, aber auch unendlich traurige Liebesgeschichte zwischen Bachmann und Celan beginnt 1948, als sie 22 und er 27 Jahre alt ist, und sie endet mit dem Suizid Celans 1971 in Paris. Für Ingeborg Bachmann ist es die große Liebe ihres Lebens, und doch hört sie nie auf, in ihm den Fremden zu sehen und ein bisschen wohl auch zu fürchten: einen Juden aus Czernowitz, dessen Eltern im Holocaust umgekommen sind, während sie selbst nichts dergleichen erlebt hat. Sie liebt ihn und stößt an Grenzen, an ihre eigenen und an seine. Es geht nicht immer nett zu in diesen packenden Briefen. In einem Moment des Zweifels fragt sie: „Sind wir nur die Geträumten?“
Zwei junge Schauspieler, Anja Plaschg und Laurence Rupp, treffen sich in einem Tonstudio, um daraus zu lesen. Die dramatisch schwankenden Gefühle der Briefe – zwischen Rausch und Verlustangst, Entzücken und Erschrecken, Nähe und Fremdheit – gehen auf die Schauspieler über. Aber sie amüsieren sich auch, streiten, rauchen, reden über Tattoos und Musik. Ob die Liebe damals oder die Liebe heute, ob Inszenierung oder Dokumentation: Wo die Ebenen verschwimmen, schlägt das Herz des Films.
REGIESTATEMENT
“Alles ist immer auch das Gegenteil. Die Medien erzählen uns gerne, dass wir in einer Zeit der Vergletscherung der Gefühle, der Vereinsamung im Internet- Supermarkt der Liebespartner leben. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit authentischen Erlebnissen und Gefühlen. Die klassischen großen Liebesgeschichten haben nichts an Aktualität eingebüßt. Ingeborg Bachmann und Paul Celan gehören in die Reihe großer, moderner Liebender. Ihre Liebe ist einerseits einzigartig, sie steht aber auch paradigmatisch für die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer Begegnung nach der Katastrophe des Krieges und der Vernichtung. Die wohl wichtigsten deutschsprachigen Dichter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ringen um jene Fragen, die ich mir selbst immer wieder gestellt habe: Was bedeutet Liebe in unserer modernen bzw. post-modernen Zeit? Wie viele Generationen weit reicht die Zerstörung von Empathie und Vertrauen durch die NS-Ideologie in deren Kernländern Deutschland und Österreich? Sind Leben und Kunst vereinbar?” Ruth Beckermann
»Ein literaturgeschichtliches Ereignis.« Die Süddeutsche Zeitung über Herzzeit
Ein solches Buch erscheine nur alle paar Jahrzehnte, hieß es 2008 über Herzzeit, den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Die Korrespondenz der beiden bedeutendsten deutschsprachigen Dichter der Nachkriegszeit erstreckt sich über die 1948 bis 1961 und dokumentiert eine so intensive wie wechselhafte Beziehung. Die vielfach ausgezeichnete österreichische Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann hat den Briefwechsel nun gemeinsam mit der Autorin und Kritikerin Ina Hartwig ins Bild gesetzt: Die Musikerin Anja Plaschg und der Burg-Schauspieler Laurence Rupp lesen die Briefe in einem Tonstudio, sprechen darüber in den Pausen und zeigen somit, was diese Texte noch heute »mit zwei sehr modernen Menschen machen«. Das feinfühlige Kammerspiel wurde bei der Diagonale 2016 als bester österreichischer Spielfilm prämiert und liegt nun erstmals auf DVD vor.
RUTH BECKERMANN, geboren 1952 in Wien, ist Dokumentarfilmerin und Autorin. 2015 wurde sie mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.
INA HARTWIG, geboren 1963 in Hamburg, ist Autorin und Literaturkritikerin. Seit Juli 2016 ist sie Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main.
ANJA PLASCHG, 1990 geboren. Die Musikerin und Sängerin ist international bekannt unter dem Künstlernamen Soap&Skin. Zudem ist sie im Film- und Theaterbereich als Komponistin, Interpretin sowie gelegentlich als Schauspielerin tätig. www.soapandskin.com
LAURENCE RUPP 1987 in Wien geboren. Erste Dreherfahrungen mit elf und seitdem beim Film tätig. Studium der darstellenden Kunst am Max Reinhardt Seminar, Abschlussjahrgang 2014. Seit dem Jahr 2013 fixes Ensemblemitglied am Burgtheater.
INGEBORG BACHMANN
wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Sie begann schon als Schülerin zu schreiben. Sie studierte Philosophie in Innsbruck, Graz und schließlich in Wien, wo sie Bekanntschaft u. a. mit Hans Weigel machte. 1949 verfasste Bachmann ihre Dissertation über Martin Heideggers Existentialphilosophie. Anschließend trat sie eine Stelle beim amerikanischen Sender Rot-Weiß-Rot an, die zum Ausgangspunkt ihrer Rundfunkarbeit wurde. Die Freundschaft mit dem Dichter Paul Celan hatte einen großen Einfluss auf ihr Denken. Ingeborg Bachmann gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Prosaschriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie starb am 17. Oktober 1973 in Rom.
PAUL CELAN
wurde am 23. November 1920 als Paul Antschel als einziger Sohn deutschsprachiger, jüdischer Eltern im damals rumänischen Czernowitz geboren. Nach dem Abitur 1938 begann er ein Medizinstudium in Tours/Frankreich, kehrte jedoch ein Jahr später nach Rumänien, zurück, um dort Romanistik zu studieren. 1942 wurden Celans Eltern deportiert. Im Herbst desselben Jahres starb sein Vater in einem Lager an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Von 1942 bis 1944 musste Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten. Von 1945 bis 1947 arbeitete er als Lektor und Übersetzer in Bukarest, erste Gedichte wurden publiziert. Im Juli 1948 zog er nach Paris, wo er bis zum seinem Tod lebte. Im selben Jahr begegnete Celan Ingeborg Bachmann. Im November 1951 lernte Celan in Paris die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 kam ihr gemeinsamer Sohn Eric zur Welt. Im Frühjahr 1970 nahm sich Celan in der Seine das Leben.
Der im Suhrkamp Verlag posthum veröffentlichte Briefwechsel „Herzzeit“ zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, zwei der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter, ist das bewegende Zeugnis zweier Menschen, die sich liebten und gegenseitig verletzten, die einander brauchten und doch nicht miteinander leben konnten. Fast zwanzig Jahre lang kämpfen sie in ihren Briefen um die Liebe und Freundschaft des anderen, wiederholt herrscht Schweigen, immer wird der Briefwechsel wiederaufgenommen – bis es 1961 endgültig zum Bruch kommt.
DIE LIEBE HAT TRAUMCHARAKTER
Interview: Karin Schiefer spricht mit Ruth Beckermann, Januar 2016
Ein Gespräch mit Ruth Beckermann, die sich in Die Geträumten, ihrer filmischen Annäherung an den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, erstmals auf das Terrain des Spielfilms begeben hat.
Unser Gespräch über Ihren letzten Film Those Who Go Those Who Stay endete mit folge den Sätzen: Das Hors-Champs muss man sehr viel stärker sichtbar machen. Vielleicht sollte man einen Film machen, über alles, was man nicht filmen kann. Es war die Rede von den Grenzen des Dokumentarfilms und des Schauens überhaupt. Mag es sein, dass nun der literarische Text, die Stimme bzw. das Hören – also andere Sinnes – wahrnehmungen, andere künstlerische Ausdrucksweisen – ein Fenster geöffnet haben, um mit Die Geträumten neues filmisches Terrain zu beschreiten?
RUTH BECKERMANN: Dieser neue Film betritt ganz gewiss neues Terrain. Ich hab in Die Geträumten nicht nur zum ersten Mal mit Schauspielern gearbeitet, sondern insgesamt ganz anders gearbeitet als zuvor, ohne mir von Beginn an klar zu sein, wie weit ich mich vom Essayfilm entfernen würde. Ein literarischer Text als Vorlage kam durch die Begegnung mit der Literaturkritikerin Ina Hartwig ins Spiel, mit ihr habe ich über ein Jahr hinweg das Buch für den Film entwickelt. Es gab sehr viele Textfassungen, wahrscheinlich an die 25. Wir lernten uns in der Jury des Wartholz Literaturpreises kennen. Auf der gemeinsamen Autofahrt vom Wiener Flug-hafen nach Reichenau/Rax unterhielten wir uns über den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, der vor einigen Jahren unter dem Titel „Herzzeit“ erschienen ist. Ina schreibt an einem Buch über Ingeborg Bachmann. So ergab sich die Zusammenarbeit und wir haben sehr schnell ein Exposé eingereicht.
Ingeborg Bachmann wie auch Paul Celan sind sehr sprachintensive Stimmen der deutschsprachigen Poesie der Nachkriegszeit. Wie findet sich eine filmische Sprache angesichts dieser sprachlichen Dichte? Wie sind Sie ans szenische Schreiben herangegangen?
Die Idee, dass zwei Personen (nicht unbedingt Schauspieler) Sprecher spielen, die in einem Tonstudio für ein Hörbuch oder eine Sendung die Briefe aufnehmen, war von Anfang an da. Ursprünglich sollte das aber nur ein Teil des Films sein. Geplant war, dass die Stimmen ins Off gehen und ich immer wieder an Orten drehe, wo Bachmann und Celan gelebt haben – nicht dokumentarisch im Haus, wo sie gewohnt haben, sondern sehr assoziativ und frei und heutig. In Paris, in München, in Zürich, in Rom. Ich war zunächst noch eher auf einer essayistischen Schiene und hatte an einigen Orten bereits Bilder und Töne aufgenommen. Vor dem eigentlichen Dreh mit den Schauspielern habe ich einen Probedreh mit Freunden gemacht, um heraus zu finden, ob die Texte stark genug für diese radikale Reduktion sind. Schon damals hoffte ich insgeheim, dass es ein Kammerspiel werden würde. Die beiden Darsteller – Anja Plaschg und Laurence Rupp – waren beim Dreh so stark, dass die konzentrierte Form im Funkhaus passte. Nach einer ersten Montage sahen Dieter Pichler, mein Cutter, und ich uns an und sagten: Das ist es, wir bleiben in dem Raum.
Also ein sehr kontrolliertes Arbeiten wie beim Spielfilm?
Das Neue an der Herangehensweise war die intensive Vorbereitung. Am Dokumentarfilm gefällt mir, dass ich mich hineinwerfen kann und während des Drehens so viel Überraschendes erlebe. Und in der Montage den Film noch einmal neu erfinde. Das Ganze ist ein Abenteuer. Die Vorbereitung von Die Geträumten ging bis ins kleinste Detail. Ich habe ein Jahr lang immer wieder mit dem Kameramann Johannes Hammel an Ideen für Licht und Auflösung gearbeitet und über ein halbes Jahr mit Lisa Olah, einer sehr klugen Casterin. Die überraschende Erfahrung für mich war die, dass es sehr spannend ist, so etwas vorzubereiten. Einfache Elemente bekommen im Spielfilm plötzlich Wichtigkeit. Wie lange wir überlegt haben, bis die richtige Farbe und Größe für die Textblätter feststand, die nicht zu sehr reflektieren und die Gesichter nicht zu sehr verbergen sollten.
Hatte es mit der Dichte der Sprache zu tun, dass man ihr mit dieser starken Reduktion entgegentreten musste?
Gewiss. Im Vordergrund stand aber das Thema. So eine romantische und tragische Liebesgeschichte ist schon einmal sehr stark. Die Sprache der beiden ist unglaublich. Das sind Voraussetzungen, bei denen man sich ein hohes Maß an Reduktion erlauben kann. Ich mag Reduktion sowieso. Mich hat zunächst aber etwas ganz anderes interessiert: Nämlich, wie diese Briefe und diese Sprache heute auf junge Menschen wirken. Es war ein Experiment: Ich wollte sehen, was diese Briefe mit heutigen jungen Menschen machen. Bachmann und Celan waren ja sehr jung, als sie einander kennen gelernt hatten. Sie 22, er 27. Ich wollte ganz junge Schauspieler haben und zwar Schauspieler, bei denen ich mir vorstellen konnte, dass die Texte bei ihnen etwas auslösen – bei jedem einzelnen und in der Beziehung zueinander.
Sie haben einen sehr überraschenden Cast, insofern als Sie dem Ensemblemitglied des Burgtheaters, Laurence Rupp, mit Anja Plaschg eine der großen Protagonistinnen der jungen österreichischen Musikszene zur Seite stellen. Warum diese Wahl?
Anja Plaschg war ganz schnell meine Wahl. Trotzdem habe ich mir auch Schauspielerinnen angesehen, weil mir bewusst war, dass die Anforderung an eine Nicht-Schauspielerin sehr hoch ist. Ich bin aber immer wieder auf sie zurückgekommen, weil sie nicht allein eine starke, sondern die richtige Persönlichkeit für Bachmanns Texte ist. Schwieriger war es, einen interessanten Mann zu finden. Bundesdeutsche Schauspieler kamen nicht in Frage für diese beiden Dichter aus „dem Hause Österreich“. Damit war die Auswahl sehr ein-geschränkt, denn er musste auch einen Gegensatz zu Anja verkörpern. Laurence Rupp ist sehr wandlungsfähig. Man spürt, wie er im Laufe des Films reift, ja älter wird.
Wie haben Sie die beiden Darsteller mit den Texten konfrontiert?
Natürlich lasen alle beim Casting aus den Briefen, was aber nur bedingt aufschlussreich war. Wichtig waren die Stimmen der beiden und was ganz altmodisches, nämlich „ob sie Tiefe haben“. Geprobt haben wir überhaupt nicht. Unsere Abmachung war: „Wir drehen sofort und alles“. Die Zwischenspiele, die in den Alltag zurückführen, waren alle geplant – ob nun Kantine, Konzertsaal, die Rauchpausen. Allerdings waren sie so geplant, dass viel offen blieb. Ich wusste also nicht, was im Konzertsaal geprobt wurde. Dass es ein Stück von Wolfgang Rihm war, das perfekt zur Stimmung des Films passte, nenne ich Dokumentar-film-Glück.
Das ORF Funkhaus in der Wiener Argentinierstraße wird zur Zeit sehr viel diskutiert, da sein sehr umstrittener Verkauf ansteht. Der Film entwickelt auch eine dezente Hommage an dieses besondere Gebäude.
Das Gebäude ist architektonisch interessant und vor allem ein geschichtsträchtiger Ort, der nun verschleudert wird. Die Nachkriegszeit war die große Zeit des Radios. Ingeborg Bachmann hat sehr lange beim Radio gearbeitet, Celan war immer wieder bei deutschen Sendern eingeladen. Ich habe mir in der Recherche sehr viele Studios im Internet angesehen. Am Beginn zögerte ich, dieses Studio im Funkhaus zu nehmen, weil es so groß ist. Man würde ja nie so etwas Intimes wie den brieflichen Austausch zwischen zwei Personen in einem großen Studio aufnehmen. Doch gerade die Größe, die Totalen erlaubt, die physische Nähe und Distanz zwischen Schauspielern ermöglicht, war interessant. Und dann sind da die Wandbilder, die wie Fenster in die Welt hinaus wirken. Im Laufe der Zeit habe ich mich immer mehr von einem Realismus befreit, um den es ja überhaupt nicht geht.
Die Beziehung bzw. der Briefwechsel zwischen beiden ist durch ein intensives Spiel von Nähe und Distanz (auf mehreren Ebenen) geprägt. War diese Suche nach Balance zwischen Nähe und Distanz etwas wie das Leitmotiv in der filmischen Umsetzung?
Johannes Hammel, dem Kameramann, gelingt es ausgezeichnet, das in den Positionen der Kamera auszudrücken. Er nimmt immer den richtigen Abstand ein. Es war von Anfang an klar, dass ich die Verwendung eines Stativs nicht erlaube. Wir haben alles, auch die Totalen, aus der Hand gefilmt, weil ich auf keinen Fall eine akademische, theatralische Kammerspielsituation schaffen wollte. Das Bild sollte leben. Es sollte vibrieren und auch ständig die Möglichkeit gegeben sein zu reagieren. Johannes sollte, wenn die beiden miteinander reden und dabei weit auseinander sitzen, sich bewegen und spontan reagieren können und nicht mit der Kamera auf einem Stativ hin- und herschwenken. Ich musste ihnen so z.B. nicht genau den Weg in die Kantine vorgeben, sondern die Kamera konnte sich nach den beiden richten.
Beschäftigt Sie schon länger der Wunsch mit Schauspielern zu arbeiten? Möglicherweise ein Bedürfnis aus dem dokumentarischen Arbeiten heraus, stärker Emotion gestalten zu können?
Ich finde, dass es im Dokumentarfilm auch sehr viel Emotion gibt – durch die Protagonisten, durch einen Off-Text. Man hat im Spielfilm als Autorin eine ganz andere Position. Die Geträumten ist ein Autorenfilm, ich bringe mich aber als Person nicht ein. Es gibt nicht das „Ich“ wie in einem Text oder durch die Montage, wie das in meinem letzten Film der Fall war, wo alles aus meiner Perspektive aus geschieht. Das Interessante bei diesem Projekt war, dass ich zwar diejenige bin, die die Fäden zieht, aber zwei Personen habe, die dem, was Bachmann und Celan ausdrücken, ihr eigenes Gesicht und ihre eigenen Stimmen geben. Das ist ein ganz neues Spiel mit Gefühlen. Das Setting von Die Geträumten schafft Abstand zu den Emotionen der Briefeschreiber, während es im Dokumentarfilm oft darum geht, ein Bild z.B. von einer Landschaft mit Emotion aufzuladen.
Ein Briefwechsel ist eine literarische Gattung, die etwas klar Dokumentarisches hat, sei es nun in biografischer oder gesellschaftshistorischer Hinsicht, auch etwas sehr Subjektives und aufgrund der zeitlichen Abstände, die der Postweg bedingt und aufgrund des vielen Ungesagten zwischen zwei Menschen, die einander gut kennen, etwas höchst Fiktives, das sich der Leser selber füllen kann. Bot sich dieses literarische Genre als Genre der Transition Dokumentarischem und Fiktionalem nicht geradezu an?
Ganz gewiss. Die Korrespondenz zwischen den beiden hat in sich schon eine starke fiktionale Ebene. Manchmal habe ich sogar an Minnegesang gedacht. Bachmann und Celan hatten auch ein literarisches Verhältnis miteinander. Das reale Verhältnis war ja sehr kurz. Zwei Monate im Frühling 1948 und dann knapp zehn Jahre später vielleicht noch einmal ein Monat. Aber sie führten ihr Leben lang einen literarischen Dialog miteinander. Das kommt in ihren Werken auch vor. Bachmann geht mehr auf seine Verszeilen und Textstellen ein, aber es geschah auch umgekehrt. Die Briefe würde ich nicht als rein dokumentarisch bezeichnen. Sie schweben auch. Da ist so viel drinnen. Natürlich die wirkliche Liebesgeschichte, aber so viel an Vorstellungen über die Liebe und über das Leben. Und das Thema der Shoah und der Nachkriegszeit. Die Vorstellung, dass ein junger Jude aus Cernowitz und eine junge Kärntnerin einander 1948 in Wien begegnen und einander geradezu in die Arme fallen, ist interessant und sehr romantisch. Eine unserer Grundfragen war „Was waren die Themen dieser beiden? Was bedeutet dieser Text heute?“ Heute kann man sich z.B. eine Liebesgeschichte in Israel oder anderen von schweren Konflikten geprägten Ländern zwischen Angehörigen verfeindeter Lager vorstellen, auch wenn nicht dieselbe Tragik wie nach der Shoah gegeben ist, wo ein Kollektiv das andere vernichten wollte. Dieser Aspekt – dass zwei Menschen aus so entgegen gesetzten Kollektiven einander begegnen, war uns auch sehr wichtig. Es macht alles intensiver und verstärkt die Liebe noch einmal.
Eine Liebe, die so viele Facetten getragen hat … Wie würden Sie diese komplexe Beziehung der beiden zueinander analysieren?
Wenn ich an meine eigene Leseerfahrung denke, so war ich am Anfang viel stärker auf der Seite Celans, doch je mehr ich mich mit der Beziehung beschäftigte, umso mehr konnte ich Ingeborg Bachmann verstehen. Sie versucht ein Leben lang, ihm zu helfen, ihn zu halten, ihn zu tragen. Er stößt sie immer wieder zurück. In dem ersten Gedicht „In Ägypten“, das den Beginn des Briefwechsels darstellt, weist er ihr sofort ihren Platz zu als die Fremde, die geschmückt wird mit dem Schmerz von Ruth, Noemie, Mirjam, also mit dem Schmerz um die jüdischen Frauen. Andererseits verstehe ich, dass es für ihn schwierig war, ihre Versuche, sich quasi auf die Seite der Opfer zu schreiben, zu ertragen. Sie hat ihr ganzes Leben nie über ihren Vater, der bei der NSDAP war, gesprochen. Ich kann mir auch vorstellen, dass ihm das zuviel war. Er ist im Laufe der Zeit immer paranoider geworden, war aber von Anfang an schon verletzt und ungerecht, auch eifersüchtig auf ihre Erfolge und überhaupt ein Macho. Zum gegeben sein zu reagieren. Johannes sollte, wenn die beiden miteinander reden und dabei weit auseinander sitzen, sich bewegen und spontan reagieren können und nicht mit der Kamera auf einem Stativ hin- und herschwenken. Ich musste ihnen so z.B. nicht genau den Weg in die Kantine vorgeben, sondern die Kamera konnte sich nach den beiden richten.
Beschäftigt Sie schon länger der Wunsch mit Schauspielern zu arbeiten? Möglicherweise ein Bedürfnis aus dem dokumentarischen Arbeiten heraus, stärker Emotion gestalten zu können?
Ich finde, dass es im Dokumentarfilm auch sehr viel Emotion gibt – durch die Protagonisten, durch einen Off-Text. Man hat im Spielfilm als Autorin eine ganz andere Position. Die Geträumten ist ein Autorenfilm, ich bringe mich aber als Person nicht ein. Es gibt nicht das „Ich“ wie in einem Text oder durch die Montage, wie das in meinem letzten Film der Fall war, wo alles aus meiner Perspektive aus geschieht. Das Interessante bei diesem Projekt war, dass ich zwar diejenige bin, die die Fäden zieht, aber zwei Personen habe, die dem, was Bachmann und Celan ausdrücken, ihr eigenes Gesicht und ihre eigenen Stimmen geben. Das ist ein ganz neues Spiel mit Gefühlen. Das Setting von Die Geträumten schafft Abstand zu den Emotionen der Briefeschreiber, während es im Dokumentarfilm oft darum geht, ein Bild z.B. von einer Landschaft mit Emotion aufzuladen.
Ein Briefwechsel ist eine literarische Gattung, die etwas klar Dokumentarisches hat, sei es nun in biografischer oder gesellschaftshistorischer Hinsicht, auch etwas sehr Subjektives und aufgrund der zeitlichen Abstände, die der Postweg bedingt und aufgrund des vielen Ungesagten zwischen zwei Menschen, die einander gut kennen, etwas höchst Fiktives, das sich der Leser selber füllen kann. Bot sich dieses literarische Genre als Genre der Transition Dokumentarischem und Fiktionalem nicht geradezu an?
Ganz gewiss. Die Korrespondenz zwischen den beiden hat in sich schon eine starke fiktionale Ebene. Manchmal habe ich sogar an Minnegesang gedacht. Bachmann und Celan hatten auch ein literarisches Verhältnis miteinander. Das reale Verhältnis war ja sehr kurz. Zwei Monate im Frühling 1948 und dann knapp zehn Jahre später vielleicht noch einmal ein Monat. Aber sie führten ihr Leben lang einen literarischen Dialog miteinander. Das kommt in ihren Werken auch vor. Bachmann geht mehr auf seine Verszeilen und Textstellen ein, aber es geschah auch umgekehrt. Die Briefe würde ich nicht als rein dokumentarisch bezeichnen. Sie schweben auch. Da ist so viel drinnen. Natürlich die wirkliche Liebesgeschichte, aber so viel an Vorstellungen über die Liebe und über das Leben. Und das Thema der Shoah und der Nachkriegszeit. Die Vorstellung, dass ein junger Jude aus Cernowitz und eine junge Kärntnerin einander 1948 in Wien begegnen und einander geradezu in die Arme fallen, ist interessant und sehr romantisch. Eine unserer Grundfragen war „Was waren die Themen dieser beiden? Was bedeutet dieser Text heute?“ Heute kann man sich z.B. eine Liebesgeschichte in Israel oder anderen von schweren Konflikten geprägten Ländern zwischen Angehörigen verfeindeter Lager vorstellen, auch wenn nicht dieselbe Tragik wie nach der Shoah gegeben ist, wo ein Kollektiv das andere vernichten wollte. Dieser Aspekt – dass zwei Menschen aus so entgegen gesetzten Kollektiven einander begegnen, war uns auch sehr wichtig. Es macht alles intensiver und verstärkt die Liebe noch einmal.
Eine Liebe, die so viele Facetten getragen hat … Wie würden Sie diese komplexe Beziehung der beiden zueinander analysieren?
Wenn ich an meine eigene Leseerfahrung denke, so war ich am Anfang viel stärker auf der Seite Celans, doch je mehr ich mich mit der Beziehung beschäftigte, umso mehr konnte ich Ingeborg Bachmann verstehen. Sie versucht ein Leben lang, ihm zu helfen, ihn zu halten, ihn zu tragen. Er stößt sie immer wieder zurück. In dem ersten Gedicht „In Ägypten“, das den Beginn des Briefwechsels darstellt, weist er ihr sofort ihren Platz zu als die Fremde, die geschmückt wird mit dem Schmerz von Ruth, Noemie, Mirjam, also mit dem Schmerz um die jüdischen Frauen. Andererseits verstehe ich, dass es für ihn schwierig war, ihre Versuche, sich quasi auf die Seite der Opfer zu schreiben, zu ertragen. Sie hat ihr ganzes Leben nie über ihren Vater, der bei der NSDAP war, gesprochen. Ich kann mir auch vorstellen, dass ihm das zuviel war. Er ist im Laufe der Zeit immer paranoider geworden, war aber von Anfang an schon verletzt und ungerecht, auch eifersüchtig auf ihre Erfolge und überhaupt ein Macho. Zum schreibt sie ihm: „Du willst das Opfer sein“. Aus seiner Opferrolle heraus, hat er sie zum Opfer gemacht, doch das ließ sie nicht zu. Sie wird immer stärker und selbstbestimmter. Sie war schön und erotisch unglaublich anziehend, für Beziehungen sehr offen und sozial sehr begabt. Sie hatte die Gabe, sich selbst gut zu vermarkten und sie war, wie man heute sagen würde, eine Netzwerkerin. Celan überhaupt nicht. Das ist so komplex und vielleicht sage ich das hier sehr verkürzt. In diesen Texten und ich hoffe auch im Film ist so viel drinnen an Ebenen von der Möglichkeit der Liebe, der Nähe, des Verstehens und Nicht-Verstehens. Das bleibt nicht auf ihre Zeit beschränkt. Können ein Mann und eine Frau einander überhaupt verstehen? Und wie weit? Die beiden kommen eh relativ weit, denke ich.
Vom Einander-Verfehlen und Einander-Versäumen ist ja immer wieder die Rede.
Ja, aber sie Ringen um diese Liebe. Wie sehr er sie geliebt hat, kann ich nicht sagen, doch Celan war ihre große Liebe. Als er in Paris Selbstmord verübte, war ihr Manuskript von „Malina“ schon fertig, doch sie fügte unter dem Titel Die Prinzessin von Kagran noch einige Seiten in den Roman ein. So hat sie in Märchenform die Geschichte mit ihm noch einmal verarbeitet, quasi als einen Nachruf. Darin heißt es „Er war mein Leben. Ich habe ihn mehr geliebt als mein Leben“. Wir haben diesen Text als geflüsterten Epilog an den Schluss des Films gestellt.
Der Briefwechsel erzählt von einer gelebten und gleichzeitig und viel mehr von einer ungelebten Liebe. Rührt daher auch die Wahl des Titels Die Geträumten, einem Wort, das einem Bachmann-Brief entnommen ist?
Diese Liebe hat Traumcharakter.
Interview: Karin Schiefer
- Extras
Mit einem ausführlichen Booklet.
Ingeborg Bachmann/Paul Celan Herzzeit
[Auszug]Liebe oder Krieg der Opfer?
Ein Gespräch über den Film Die GeträumtenCredits/Nachweise
- Inhaltsübersicht
Lies, Ingeborg, lies –
Im Windschatten, tausendfach: du
Du und der Arm,
mit dem ich nackt zu dir hinwuchs,
Verlorne.
Schläfst du jetzt?
Schlaf.
Herzzeit, es stehn
die Geträumten für
die Mitternachtsziffer
Paul CelanAber sind wir nur die Geträumten?
Ingeborg BachmannLieber, lieber Paul,
Die vielen Briefe, die ich Dir geschrieben habe, die falschen und die richtigen, ich habe nie den Mut gehabt, sie abzuschicken. Weißt Du eigentlich noch, dass wir, trotz allem, sehr glücklich miteinander waren, selbst in den schlimmsten Stunden, wenn wir unsre schlimmsten Feinde waren? Warum spürst Du nicht mehr, dass ich noch zu Dir kommen will mit meinem verrückten und wirren und widerspruchsvollen Herzen, das ab und zu noch immer gegen Dich arbeitet? – Ich fange ja langsam zu verstehen an, warum ich mich so sehr gegen Dich gewehrt habe, warum ich vielleicht nie aufhören werde, es zu tun. Ich liebe Dich und ich will Dich nicht lieben, es ist zu viel und zu schwer; aber ich liebe Dich – heute sag ich es Dir, auch auf die Gefahr hin, dass Du es nicht mehr hörst oder nicht mehr hören willst.
Ingeborg BachmannDieses Leben scheint nun einmal aus Versäumnissen gemacht, und man tut vielleicht besser daran, nicht allzu lange an diesen herumzurätseln, sonst will kein Wort von der Stelle. Lass uns nicht mehr von Dingen sprechen, die unwiederbringlich sind, Inge – sie bewirken nur, dass die Wunde wieder aufbricht, sie beschwören bei mir Zorn und Unmut herauf, sie scheuchen das Vergangene auf – … Du schaffst mit ein paar Worten, die die Zeit in nicht gerade kleinen Abständen vor Dich hinstreut, Undeutlichkeiten, mit denen ich nun wieder ebenso schonungslos ins Gericht gehen muss wie seinerzeit mit Dir selber.
Paul Celan- Credits
-
Buch: Ina Hartwig, Ruth Beckermann, Ingeborg Bachmann, Paul Celan
Darsteller: Anja Plaschg, Laurence Rupp
Kamera: Johannes Hammel
Regie: Ruth Beckermann
Produktionsland: AT
Produktionsjahr: 2016
- Pressestimmen
„Wir hatten schon vorab vermutet, dass Anja Plaschg in ‚Die Geträumten’ toll sein würde. Doch das ist nur ein Viertel der Wahrheit. Ohne ihren männlichen Gegenpart Laurence Rupp, das dramaturgisch überaus exakte Drehbuch von Ruth Beckermann und Ina Hartwig und nicht zuletzt Beckermanns kluge Inszenierung wäre dieses Genre-sprengende Kunstwerk nicht möglich.” Der Spiegel
“Der Briefwechsel zwischen den Lyrikern Ingeborg Bachmann und Paul Celan aus den Jahren 1948 bis 1967 wird zum Dokument einer komplizierten, heftig umkämpften Liebe und Freundschaft. In einer essayistisch-experimentellen Annäherung tragen die Musikerin Anja Plaschg und der Schauspieler Laurence Rupp im Wiener Funkhaus aus der Korrespondenz vor. Dabei geht der ebenso präzis montierte wie klug verdichtete Film über die Erzählung einer komplizierten Liebe und Freundschaft und das Ringen um Worte weit hinaus und holt den Text nicht zuletzt über verschiedenste Metaebenen in die Gegenwart” FILMDIENST
„Für die Spannung zwischen Trauma und Vergangenheitsbewältigung, zwischen unüberwindlichem Dunkel und Neuanfang, findet „Die Geträumten“ eine perfekt angemessene, schwebende Form.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung„Es ist der wohl ungewöhnlichste Liebesfilm des Jahres … Ob es für einen Briefwechsel bisher eine cineastische Form gab? Beckermann hat eine behutsame, bestechende gefunden: Sie spielt ihn nicht nach, sondern reflektiert ihn.“ Der Standard
„Die Geträumten“ ist ein Film der Blicke und Nicht-Blicke, des Sprechens und Nicht-Sprechens, der größten Nähe und unüberbrückbaren Distanz. Eine außergewöhnliche Geschichte, zu deren Verständnis kein Vorwissen über Bachmann und Celan oder ihr Werk vonnöten ist.“ Falter
„Ein stiller Film: Sensibel und verletzlich liest Plaschg den weiblichen Part vor, leicht ironisch gestaltet Rupp den Part von Celan.“ Die Presse
„Gerade weil sich die Schauspieler den Briefen nicht mit falschem Respekt und Pathos nähern, sondern unverkrampft und unverfroren, verleihen sie der lyrischen Sprache, ohne sie zu verraten, eine unerwartete Gegenwärtigkeit.“ ORF Ö1
„Beckermann findet für den Briefwechsel zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann die perfekte Form: das gelesene Wort genügt, in der Inszenierung ist das ganz große Filmkunst. Die Musikerin Anja Plaschg (Soap&Skin) und der Schauspieler Laurence Rupp lesen sich und uns die Briefe vor. Es entwickelt sich ein Kammerspiel im Wiener Funkhaus, bei dem die Kameraperspektive so effektvoll eingesetzt wird, das wir ganz direkt sehen und hören, wie die Sprache wirkt. Die Worte der beiden, von Rauchpausen unterbrochen, entwickeln einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Wer denkt, ein gelesener Briefwechsel als Film wäre langweilig, hat ihn nicht gesehen. Das hervorragende Drehbuch von Beckermann und Ina Hartwig trägt neben den beiden Lesenden seinen Teil dazu bei und verdichtet das Material so gekonnt, dass eine zeitlose Liebesgeschichte dabei entsteht. Am Ende denkt man, vielleicht ist nichts realer als das Geträumte.“ Wiener Zeitung
„Mutig und kompromisslos: Der emotionale Schatz wird weder laut ausgebreitet noch künstlich beschleunigt oder für schnell verpuffende Effekte ausgeweidet. Daraus entsteht eine pure, beinahe radikale Zärtlichkeit … Da es Beckermann versteht, Musikalität und Wirkung von Sprache filmisch zu übersetzen, gönnt sie einem auch Szenen, in denen sich das Gehörte entfalten kann … Ein kluges, stilles Auf und Ab – in allen Belangen der dargestellten Künste.“ Oberösterreichische Nachrichten
„Die Geträumten“ zelebriert mit minimalistischen inszenatorischen Mitteln und zwei großartigen Stimmen die zeitlos schöne Sprache von Ingeborg Bachmann und Paul Celan.“ Salzburger Fenster
„Ein eindrückliches Kammerspiel.“ ORF
„In sorgsam arrangierten, aber nicht gescripteten Szenen treten die beiden aus ihren Sprechrollen heraus und begegnen sich in der Gegenwart … diese narrative Konstellation fungiert wie eine zusätzlich eingezogene Wand im filmischen Raum – eine Wand allerdings, an der die Worte abprallen, an die nächste Wand geworfen werden und so ein ganz eigenes Echo erzeugen … Eine zweite Art von Lebendigkeit entsteht so, die das (Wieder-)Erleben der Sprache von Bachmann und Celan ergänzt und für die Gegenwart öffnet. Schöner kann die Arbeit an einem Text und für einen Text kaum sein.“ Der Spiegel
„Der Reiz in diesem Film besteht gerade in den fehlenden Bildern, im Verborgenen. Denn nur die Stimme der beiden Akteure erschließt einen imaginären Möglichkeitsraum. Hinzu kommt: Der Minimalismus, bezogen auf den Plot und die Requisite, sorgt dafür, dass wir uns ganz auf die Hauptfiguren konzentrieren. Beckermanns Detailaufnahmen der Gesichter, die mal enthusiastisch, schwelgend oder dann wieder am Rand der Depression die Stimmungen der Briefe in sich aufnehmen, entfalten eine ungemeine Sogkraft.“ Neue Zürcher Zeitung
„Die Geträumten“ folgt einer strengen Gestaltung, einem reduzierten Konzept. Doch in der Reduktion ist viel enthalten, wird viel möglich. Das ist den schönen, empfindsamen Gesichtern Rupps und Plaschgs zu verdanken, die in Großaufnahmen häufig über die gesamte Leinwand zu betrachten sind. Aber es sind auch die sorgfältigen Schnitte, in denen Reaktionen sichtbar werden, Rhythmen und der gefühlsmäßige Wechsel, der im Verlauf der Jahre kommen muss.“ TIP
„Die ruhige, wie mit dem Text atmende Kamera ist mal ganz nah dran an den Gesichtern, die sprechend oder zuhörend gezeigt werden: Man registriert jede Regung, jeden feuchten Schimmer in den Augen. In den Totalen treten die Schauspieler mit dem Raum in Beziehung, die Aufmerksamkeit verlagert sich von der Beschreibung einer radikalen Binnensicht zum
Dialogischen.“ Spex„Mit den hervorragenden Schauspielern und der konzentrierten Bildsprache gelingen Ruth Beckermann jedoch über weite Strecken paradoxerweise schöne Anklänge an ein altes Überwältigungskino … Da mag sich der skeptische Zuschauer fragen: Genügt das fürs Kino? Allerdings – und wer davon nicht sofort in den Bann gezogen wird, ist im falschen Film.” Süddeutsche Zeitung
„Der stetige Wechsel der Kameraeinstellung im Tonstudio von der Nahaufnahme in die Distanz wird dem gesprochenen Text zur kongenialen Entsprechung. Ausdrücke von Begehrlichkeiten, Stolz und Verletzungen wechseln einander in hochpoetischen Worten ab … Ruth Beckermann gelingt hier eine wunderbare filmische Umsetzung dieser literarisch so wertvollen Dokumentation einer um Worte ringenden Liebe im ‘Sinnlichen und Geistigen’, die sich nicht verwirklichen kann. Unbedingt sehens- und hörenswert.” Der Freitag
„Die emotionale Schönheit der Texte trifft auf die Sensibilität von Plaschg und Rupp – und verankert große Liebesprosa ‘aus dem Hause Österreich’ (Beckermann) in der Wiener Gegenwart.” Kurier
„Manchmal gehen die Zeilen bis ins Mark, und dann zerdrückt Plaschg eine Träne: ‘Jetzt Schluss bitte.’” Die Presse
„Die Intensität des Beziehungsdramas stellt sich über die faszinierende Sprache, die Präsenz der Akteure und durch Kamera und Montage her, die den Dialog mit wechselnden Perspektiven und Einstellungsgrößen auflösen.” radioeins
„Die Akteure im Bild sind keine Schauspieler in einem Beziehungstheater, sondern Diener des Textes, dessen Intensität sie mit feinsten Nuancen unterstreichen: Stimme, Blick, Lächeln im Mundwinkel. Minimalistisch und magisch. Liebe, Glück, Zorn, Zerrissenheit, Verzweiflung.” Der Tagesspiegel
„Selten hat mich ein Film so bewegt wie diese Lesestunde, die mit einfachsten Mitteln maximale Wirkung erzielt. Mit ‚Die Geträumten’ hat Beckermann brennende, poetische Energie auf die Leinwand gebracht.“ Jugend ohne Film
“Sprache und Sprechen werden zu einem Ereignis, das von der subtilen Inszenierung im Rahmen des reduzierten, kammerspielartigen Settings als ebenso dokumentarisch wie fiktional ausgewiesen wird. So erzeugt die Einbeziehung der Arbeits- und Aufnahmesituation zwar eine fortgesetzte Brechung der Illusion und damit eine gewisse Nüchternheit; andererseits vermittelt die „Verlebendigung“ der Texte durch den Vortrag der Schauspieler starke Emotionen. Diese bewirken, so scheint es zumindest, dass die Sprecher zeitweise aus ihren „Rollen“ heraustreten.” Filmgazette
“Bei der Berlinale 2016 gehörte DIE GETRÄUMTEN zu den besten Filmen, die ich dort gesehen habe.” Hans Helmut Prinzler
“Ein Film zum wieder und wieder sehen, vielleicht auch nur zum Hören. Ein Film über die Macht von Worten, die verletzen, aber auch trösten können. Die inspirieren und bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren haben. “Die Geträumten” – ein wahrhafter poetischer Film." Mareike Gries, SWR
- Auszeichnungen
Diagonale – Festival des österreichischen Films:
Großer Diagonale Preis
Cinéma du Réel 2016:
Prix International de la Scam
Prix des Jeunes Special MentionAUSZEICHNUNGEN UND JURYBEGRÜNDUNGEN
„Eine Dramaturgie von Intimität und inszenierter Vortragssituation, von Text, Körper, Gesicht und Raum, Sprechen und Zuhören. Ruth Beckermanns „Die Geträumten“ wird dem Dialogischen des mehr als zwanzig Jahre umfassenden Briefwechsels ebenso gerecht wie der teils schmerzhaft einsamen Innenwelt der beiden Schriftsteller/innen. Der Film verdichtet das Textmaterial, lässt ihm dabei aber immer genügend Raum zum Nachklingen. Durch die Abfolge von Sprechszenen und Rauchpausen, in denen sich das Aufeinandertreffen der Musikerin Anja Plaschg und des Schauspielers Laurence Rupp zu einer offenen Parallelerzählung gestaltet, bekommt der literarische Text seinen Platz in der Gegenwart. Wir sind begeistert!“
Großer Diagonale-Preis Bester Spielfilm„Mit Genauigkeit, mit der notwendigen Ruhe und Bedachtheit, mit Gespür für die unterschiedlichen rhythmischen Nuancen des Textes und der beiden Vortragenden schafft die Schnittarbeit für „Die Geträumten“ einen strukturellen Rahmen, der den Film in seine fließende Form bringt. Er unterstreicht damit die Dialoge der beiden zentralen Paare, bringt sie zueinander, setzt sie in Relationen.“
Diagonale Preis Beste künstlerische Montage Spielfilm für Dieter Pichler„For its delicate utilization of simple elements, for its subtle interplay between text and performance, and for its creation of a space of reflection and resonance between past and present we attribute the Scam Award to „Die Geträumten“ by Ruth Beckermann.“
Prix international de la Scam & Prix des Jeunes Special Mention, Cinéma du Réel Paris„Eine Frau und einen Mann, zwei dichterische Werke, die die Regisseurin meisterlich inszeniert … „Die Geträumten“ ist mit großzügiger Sinnlichkeit von Ruth Beckermann inszeniert, ohne dass eine pathetische Annäherung diese Vision trübt … Der Film besticht durch die Wahl der schlichten Mittel und macht ihn somit umso eindringlicher, er spricht uns zutiefst an. Die Poesie des Unsäglichen und Unsagbaren, des Mysteriums ist auch diejenige der Filmkunst, wie sie Ruth Beckermann mit uns teilt.“
Ring der Filmkunst, Bildrausch Filmfestival Basel„Die Jury vergibt den ersten und mit 3.000 Euro dotierten Preis an “Die Geträumten/The Dreamed Ones” von Ruth Beckermann; für das Wunder, verkörpert von den beiden Darstellern Paul und Ingeborg zu sehen, für die Verwendung der umfangreichen Korrespondenz als eine Fundgrube, aus der Beckermann eine selektive und gezielte Auswahl getroffen hat, und für das äußerst ausgewogen konstruierte Verhältnis zwischen physischer Gegenwart des Wortes und der Virtualität der großartig erzählten Geschichte. Daraus entsteht ein starkes amouröses und intellektuelles, machmal mit Härte ausgetragenes Duell, das begeistert und überzeugt.“
Preisträger Concorso Internazionale, Filmmaker Festival Internazionale di Cinema Milano 2016FESTIVAL-TEILNAHMEN
Berlinale – Internationale Filmfestspiele Berlin
Diagonale – Festival des österreichischen Films – Graz
Cinéma du Réel – Paris
Art of the Real – New York
New Austrian Cinema Moskau
Schwerin Filmkunstfest
IFFF Internationales Frauenfilmfestival – Dortmund/Köln
DOK.fest München
DokKa – Dokumentarfestival Karlsruhe
Bildrausch Filmfest Basel
Moscow Jewish Film Festival
London Film Festival
Scanorama European Film Forum – Vilnius
Thessaloniki International Film Festival
Sevilla European Film Festival
Lisbon Doc Festival
Toronto International Film Festival
Montreal International Documentary Festival
Pula Film Festival
Fünf Seen Filmfestival – Starnberg
Duisburger Filmwoche
Torino Film Festival
Muestra Internacional Doc Buenos Aires
Festival Internacional de Cine de Mar del Plata
Festival Internacional de Cine de Valdivia, Chile
Bratislava International Film Festival
Jerusalem Jewish Film Festival
Jihlava International Documentary Film Festival
nicht mehr lieferbar
Best. Nr.: 585
ISBN: 978-3-89848-585-2
EAN: 978-3-89848-585-2
FSK: Infoprogramm
Länge: 89
Bild: PAL, Farbe, 16:9
Ton: Dolby Stereo
Sprache: Deutsch
Untertitel: englische + französische Untertitel
Regionalcode: codefree
Reihe: GRANDFILM