Filmarchiv | HUNDERT MEISTERWERKE UND IHRE GEHEIMNISSE
HUNDERT MEISTERWERKE UND IHRE GEHEIMNISSE
Regie: Clément Cogitore
Kleine Geheimnisse großer Gemälde: Die zehnteilige Reihe zeigt die Welt der Kunst aus einer vollkommen neuen Perspektive und bedient sich hierbei modernster Technologie und raffinierter Animationen. Kunstwerke als Zeitzeugnisse, deren Farboberflächen enträtselt und Geheimnisse gelüftet werden, die vieles über Kriege, Revolutionen, wirtschaftlichen Wandel, Entdeckungen, Religion und Weltanschauung der jeweiligen Epoche verraten.
Jede Folge ist ein kleines Abenteuer, ein Suchspiel, eine Reise: vom Mittelalter bis in die Moderne, von Rom über Venedig, Florenz, Madrid, Moskau, Berlin und Paris bis nach Amsterdam. Mittels 2D- und 3D-Technik taucht der Besucher ein – mitten in das Bild, mitten in seine jeweilige Epoche und Entstehungsgeschichte. Das Ergebnis: Große Gemälde lüften ihre kleinen Geheimnisse …
DVD 1
Quentin Massys “Der Geldwechsler und seine Frau” (1514)
Gustave Courbet “Das Atelier des Künstlers” (1855)
Georges Seurats “Die Badenden in Asnières” (1884)
Diego Velázquez “Die Hoffräulein” (1656)
Paul Veronese “Die Hochzeit zu Kana” (1563)
DVD 2
Jean Fouquet “Das Martyrium der Heiligen Apollonia” (1461)
François Clouet “Dame im Bad” (1571)
Elisabeth Vigée-Lebru “Marie Antoinette mit ihren Kindern”(1787)
Eugène Delacroix “Die Frauen von Algier in ihrem Gemach” (1834)
Wassily Kandinsky “Das bunte Leben” (1907)
“Der Geldwechsler und seine Frau”, 1514 – Quentin Massys
Antwerpen im 16. Jahrhundert ähnelt dem New York der 1950er Jahre: Das ehemalige Handwerker- und Fischerdorf an der Nordsee ist zum erstrangigen Finanzplatz geworden. Antwerpen ist eine kosmopolitische Stadt und eine Drehscheibe für Devisen, Rohstoffe und exotische Erzeugnisse. Flandern strahlt, Antwerpen wird zum neuen kreativen Zentrum Europas; ein internationaler Kunstmarkt entwickelt sich. Das Mittelalter geht seinem Ende zu und lässt bereits den Glanz der Renaissance durchscheinen.
Das Atelier des Malers Quentin Massys liegt im Herzen der Stadt. Im Jahr 1514 arbeitet er an einem Gemälde, das heute als eines der Meisterwerke der flämischen Renaissance gilt: „Der Geldwechsler und seine Frau“. Auf den ersten Blick sieht der Betrachter eine einfache Genreszene: einen Geldwechsler bei der Arbeit in einer minuziös dargestellten Wechselstube, ihm zur Seite seine Frau. Das Motiv des Juweliers oder des Geldwechslers wird damals in der Kunst immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Es dient den Malern dazu, die Geldgier und den Geiz anzuprangern, die in diesem neu entstehenden Gewerbe herrschen.
Nichts davon bei Massys, so scheint es. Aber zahlreiche Details, die der Betrachter im Bild entdecken kann, deuten auf einen versteckten Sinn hin. Welche Geschichte will Massys erzählen? Und was berichtet die realistisch gemalte Alltagsszene über das Land und die Zeit, in der das Werk entstand? Bei genauerer Betrachtung des Bildes kommen die großen Künstler- und Gelehrtenpersönlichkeiten der Zeit zum Vorschein, beispielsweise der Maler Jan van Eyck und der Schriftsteller Erasmus von Rotterdam. Vieles scheint auch auf eine religiöse Allegorie und auf eine metaphorische Bedeutung des Bildes hinzuweisen. Dadurch wird Quentin Massys zum aufmerksamen Kritiker und feinfühligen Beobachter der Veränderungen in jener Welt, in der er lebte.
“Das Atelier des Künstlers”, 1855 – Gustave Courbet
Das großflächige Gemälde „Das Atelier des Malers“ ist zweifellos eines von Gustav Courbets (1819-1877) geheimnisvollsten Werken. Mit diesem sehr vielschichtigen und allegorischen Bild beschreibt der Maler die französische Gesellschaft des Zweiten Kaiserreichs aus seiner ganz persönlichen Sicht. Er selbst ist darauf in der Mitte seines Ateliers zu sehen, und zwar malend. Umgeben ist er von einer kuriosen Versammlung von etwa 30 Personen. Welche Geschichte will uns Courbet mit dieser Bild-im-Bild-Komposition erzählen?
Mit dem „Atelier“ schuf Courbet ein engagiertes Werk, das als eine Art zeitkritisches Manifest verstanden werden kann: Die Welt selbst sei zu ihm gekommen, um sich malen zu lassen, schreibt Courbet in einem Brief, „rechts alle Aktionäre, das heißt Freunde, Arbeiter und Liebhaber der Kunstwelt“. Links dagegen treffe man auf die andere Welt, die des alltäglichen Lebens, auf „Händler, Jäger, Bettler und Priester“– kurz: auf die ganze gesellschaftliche Skala zwischen Arm und Reich.
Das Bild versetzt den Betrachter mitten hinein ins Zweite Kaiserreich, sieben Jahre nach der Juli-Revolution von 1848 und drei Jahre nach der autoritären Machtübernahme durch Napoleon III. Mit den auf dem Gemälde porträtierten Figuren erhellt Courbet auch die fortschrittlichen Ideen jener Epoche: Der Schriftsteller und Kritiker Jules Champfleury beispielsweise verfasste mehrere Schriften zum Realismus in der Kunst und Literatur; der Ökonom und Soziologe Pierre-Joseph Proudhon verbreitete sozialistischen Ideen zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums, und Charles Baudelaire sollte zwei Jahre später mit den anfangs als anstößig empfundenen Gedichten seines Bandes „Die Blumen des Bösen“ zum Begründer der modernen europäischen Lyrik werden.
“Die Hoffräulein”, 1656 – Diego Velázquez
Im Jahr 1656 malte Diego Velázquez „Las Meninas“. Das Gemälde zeigt das Leben am Hof des spanischen Königs Philipp IV. und wird zu seinem berühmtesten Werk. In Zentrum des Bildes steht die fünfjährige Infantin Margarita, die jüngere Tochter des Königs. Sie ist flankiert von zwei Hoffräulein, den Meninas, die dem Bild seinen Namen geben. Ebenfalls abgebildet ist der Maler selbst bei der Arbeit vor einer Staffelei. Es scheint, als male er den Betrachter, da alle abgebildeten Personen aus dem Gemälde heraus diesem ins Auge blicken.
Sie betrachten uns dabei, wie wir sie betrachten und ein stummer Dialog entspinnt sich zwischen dem Betrachter des Werkes und seinen Protagonisten. Am Ende weiß man nicht mehr, wer wen anschaut, und wer eigentlich posiert! Wen aber malt der Künstler wirklich? Ein Spiegel im Hintergrund der abgebildeten Szene gibt Aufschluss: In ihm ist das Königspaar zu erkennen, von ihnen fertigt der Maler hier also ein Porträt an. Ein solches Bild aber existiert nicht – die gesamte Szene ist also Fiktion.
Die Reflexion über Illusion und Wirklichkeit steht im Mittelpunkt des damaligen Interesses und findet sich auch in diesem Gemälde wieder. Aber nicht nur der Bild-im-Bild-Aufbau macht das Gemälde so interessant. Darüber hinaus erinnern „Las Meninas“ an die politische und wirtschaftliche Macht der spanischen Habsburger. Das Gemälde erzählt auch von den seltsamen Sitten und Gebräuchen am Alcázar von Sevilla, dem Palast der maurischen Monarchen, im 17. Jahrhundert und gibt Einblick in die Privatsphäre der Herrscherfamilie, was einen vollkommenen Bruch mit den damaligen Konventionen in der Porträtmalerei darstellt. Außerdem zeigt es die Leidenschaft, welche die spanischen Granden seit Karl V. der Kunst und den Künstlern entgegenbrachten.
“Die Hochzeit zu Kana”, 1563 – Paolo Veronese
„Die Hochzeit zu Kana“ (1563) von Paolo Veronese bildet die biblische Erzählung vom ersten Wunder Christi ab. Die Szene spielt bei einem Hochzeitsmahl in der Kleinstadt Kana in Galiläa. Da der Wein zur Neige geht, bittet Jesu Mutter ihren Sohn um Hilfe. Dieser ordnet daraufhin an, Krüge mit Wasser zu füllen, das er dann in Wein verwandelt.
Veroneses Gemälde fängt die ganze Geschichte in einem einzigen Moment ein, gemalt mit den damals besten und kostbarsten Farben und großer Hingabe zu Details: Die prächtigen Gewänder, das glänzende Geschirr, die reich gedeckten Tische, das Kommen und Gehen der Diener, die exotischen Gäste. Insgesamt 133 Personen sind auf dem monumentalen Werk zu sehen – all das und seine schiere Größe, fast 70 Quadratmeter, ziehen den Blick des Betrachters magisch an.
Im Jahr 1563 lebte und arbeitete Paolo Veronese in Venedig. Für das dortige Benediktinerkloster San Giorgio Maggiore malte er dieses eindrucksvolle Werk, welches die gesamte Rückwand des Refektoriums einnahm. Das als optische Täuschung konzipierte Gemälde verlängerte die Rückwand des Refektoriums in einen prachtvollen Palast: Der obere Teil des Bildes öffnet sich dem Himmel, während der untere Teil die Hochzeit als ein reiches Bankett in venezianischem Stil in Szene setzt.
Die farbenfrohen und für eine biblische Szene anachronistischen Kostüme deuten auf die große Freiheit hin, die Künstler in der Republik Venedig im 16. Jahrhundert genossen. Die sogenannte Serenissima Repubblica, die „erlauchteste Republik“, behauptete in jener Zeit mehr denn je seine Unabhängigkeit gegenüber dem Heiligen Stuhl und dies lässt sich auch in Veroneses Gemälde ablesen.
“Die Badenden in Asnières”, 1884 – Georges Seurat
In dieser Folge: Ende des 19. Jahrhunderts werden die Seineufer bei Asnières zu dem Ausflugsziel der Pariser. Auch Maler wie Georges Seurat zieht es dorthin. Er beobachtet mit dem Skizzenheft in der Hand die belebten Flussufer vor den Toren der Metropole. So entsteht im Jahr 1884 eines seiner bekanntesten Gemälde: “Die Badenden in Asnières”.
„Die Badenden in Asnières“ (1884) zeigt eine Momentaufnahme an den friedlichen Flussufern bei Asnières mit Badenden und Ruderern. Sieht man aufmerksam hin, entdeckt man, dass es sich um eine Struktur aus unzähligen Farbflecken handelt, die dem Bild ein außergewöhnliches Leuchten verleihen. Der Einsatz der Farbtupfer, aus denen später Punkte werden, ist Georges Seurats große Erfindung: Er begründet den Pointillismus. Die exakte Berechnung der Proportionen bestimmt den Abstand der kleinen Farbtupfer zueinander, so dass das Auge sie automatisch zu einem vermeintlichen Ganzen zusammenfügt.
Was erzählt das Bild? Seurat malt Männer und Jungen, die baden und sich amüsieren. Unter ihnen einfache Spaziergänger, kleine Angestellte, Arbeiter auf der Suche nach frischer Luft und ländlicher Ruhe entlang der Seine. Doch im Hintergrund dieser scheinbar bukolisch-friedlichen Szene drängt etwas heran: Der Viadukt, über den ein Zug fährt, verschließt den Horizont, die hohen Schornsteine der Fabrik spucken schwarzen Qualm. Im ausgehenden 19. Jahrhundert werden auch die Vororte der Hauptstadt von der neuen Zeit erfasst. Die Industrielle Revolution erlebt ihren Höhepunkt.
Der Zeitgeist steht auf Veränderung. Gleich hinter den von Seurat gemalten Fabriken – keine zehn Kilometer weiter – liegt das neue Paris. Innerhalb von 20 Jahren hat der Maler erlebt, wie seine Stadt sich veränderte. Im Namen der Modernität lässt der Stadtplaner und Architekt Georges Eugène Haussmann Breschen für 26 Boulevards schlagen.
Hinter der scheinbar heiteren Sonntagsidylle verbergen sich in dem Bild also auch die wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen einer Epoche, die dem Fortschrittsglauben radikal verfallen war. Die Kehrseite der Medaille: extreme Armut in den Arbeitervorstädten, luftverschmutzende Fabriken und teils unmenschliche Arbeitsbedingungen. Das Diktat der Wirtschaftlichkeit macht aus dem Arbeiter ein bloßes Rädchen im System.
“Marie Antoinette mit ihren Kindern”, 1787 – Elisabeth Vigée-Lebrun
In dieser Folge: Paris, 1787, zwei Jahre vor der Französischen Revolution: Die Beliebtheit der Königin Marie-Antoinette befindet sich auf einem Tiefpunkt. Dieser Tatsache versucht die junge Porträtmalerin Elisabeth Louise Vigée-Lebrun mit einem Gemälde entgegenzuwirken. Es trägt den Titel “Marie-Antoinette von Habsburg-Lothringen, Königin von Frankreich und ihre Kinder” (1787).
Marie-Antoinette entstammte dem Haus Habsburg-Lothringen und wurde durch ihre Heirat mit dem französischen Thronfolger und späteren König Ludwig XVI. Königin von Frankreich. Sie war aus Österreich gekommen, um das politische und militärische Bündnis mit Frankreich zu besiegeln. Innerhalb von 13 Jahren hat es die Königin aber geschafft, diese anfängliche Zuneigung in ihr Gegenteil zu verkehren. Im Jahr 1787 ist sie sich ihrer enormen Unbeliebtheit bewusst und verlässt Versailles nicht mehr. Sie ist die „Autrichienne“, die „Österreicherin“, und weiß, dass sich das in den Pamphleten, die ihr vermeintlich ausschweifendes Leben anprangern, auf „chienne“, die „Hündin“, reimt. Sie muss dringend ein anderes Bild von sich präsentieren.
In jenem Sommer wird daher aus Anlass der Kunstausstellung der Königlichen Akademie im Louvre das jüngste Werk der offiziellen Malerin der Königin, Louise-Élisabeth Vigée-Lebrun, dem Publikum und der Presse vorgestellt. Sein Titel lautet: „Marie Antoinette von Habsburg-Lothringen, Königin von Frankreich und ihre Kinder“.
Das Gemälde ist ein würdevoller Widerspruch gegen Marie-Antoinettes Kritiker, ein fast schon zu vollkommenes Bild der Königin. Jedes Element und jede Figur im Bildaufbau wurde im Vorfeld lange mit dem Hofmarschall ausgewählt und diskutiert. Bei dem propagandistischen Vorhaben blieb nichts dem Zufall überlassen. Es ging darum, ein sehr positives Bild der Königin zu zeichnen und sie als liebende Mutter zu inszenieren.
Aber obwohl Marie-Antoinettes Porträtmalerin unglaubliches Talent besaß, reichte ihr Werk nicht aus, die Menschen umzustimmen. Die Staatsschulden explodierten, das Volk hungerte. Was unter der Regentschaft Ludwigs VI. für Marie-Antoinette unter guten Vorzeichen begonnen hatte, endete mit einer Revolution und einer Republik.
“Das Martyrium der Heiligen Apollonia”, 1461 – Jean Fouquet
Um 1450 ging der Hundertjährige Krieg seinem Ende entgegen, aber das Königreich Frankreich war noch gespalten. Die Kämpfe, die Pest und die Hungersnot hatten die Bevölkerung fast um die Hälfte dezimiert. König Karl VII. und sein Hof ließen sich in Tours nieder. Im Stadtzentrum hatte der hoch angesehene Maler Jean Fouquet sein Atelier.
Von dort stammt seine Miniatur im Format 16 × 12 Zentimeter, die den Titel „Das Martyrium der Heiligen Apollonia“ trägt. Bei dem religiösen Werk handelt es sich um eine der 47 noch erhaltenen Bilderhandschriften, die Fouquet für das Stundenbuch Etienne Chevaliers, eines reichen Auftraggebers, ausführte. Wie alle Buchmaler schuf Fouquet das sehr behutsam gemalte Werk mit Hilfe einer Lupe. Er ließ sich von einer der Geschichten der „Legenda aurea“ anregen, die um 1260 von dem Dominikaner Jacobus de Voragine verfasst wurde. Diese „goldene Legende“ beschreibt die Folterungen der ersten Christen im Römischen Reich.
Der Maler zeigt, wie die Henker der auf einem Folterbett gefesselten heiligen Apollonia die Zähne ausreißen, damit sie ihrem Glauben abschwört. Eine undisziplinierte Menge drängt sich indes auf den Zuschauerrängen, um dem Schauspiel zuzusehen, als handle es sich um ein Mysterienspiel, eine theatralische Darstellung des Martyriums der Heiligen.
Fouquets Werk fordert den Betrachter auf, dieser Entfaltung von Schmerz und Gewalt beizuwohnen, die in der mittelalterlichen Vorstellungswelt kein Einzelfall ist. Durch die Einbettung in eine Theaterszenerie verharmlost der Künstler jedoch das Dargestellte. Er setzt das Theatralische als eine Art Filter ein und erzwingt damit eine Distanzierung, die bereits die Anfänge der Renaissance ankündigt.
“Die Frauen von Algier in ihrem Gemach”, 1834 – Eugène Delacroix
In dieser Folge: Während der Kolonialkrieg tobte, überquerte Eugène Delacroix das Mittelmeer Richtung Algerien. Der Realismus des Gemäldes “Frauen von Algier in ihrem Gemach” (1834) lässt uns in die Ruhe und Einfachheit eines Harems eindringen, wie ihn Delacroix mit eigenen Augen sah.
Im Pariser Salon des Jahres 1834 erregte Eugène Delacroix‘ Bild großes Aufsehen. Es zeigt das Innere eines Harems, in dem drei leicht bekleidete Frauen die Besucher schweigend mustern. Der Realismus der Szene irritierte das Publikum, das an die schwül-erotischen, idealisierten Darstellungen der orientalistischen Malerei gewöhnt war.
Im Gegensatz zur Tradition ließ sich Delacroix nicht von einer Erzählung oder Legende inspirieren. Er malte eine sehr reale Szene, die er in Algier gesehen hatte. Zwei Jahre zuvor begleitete der Maler eine diplomatische Mission in Nordafrika, die den Sultan von Marokko dazu bewegen sollte, sich nicht mehr in die Angelegenheiten des algerischen Territoriums einzumischen, das gerade französische Kolonie geworden war. Diese Reise faszinierte Delacroix über alle Maßen: Farben, Licht und Orte, Natur- und Stadtlandschaften, Kleidung und Schmuck – aber vor allem die Menschen. Er füllte unzählige Zeichenblöcke. Statt zum französischen Kolonialkrieg in Algerien Stellung zu nehmen, der ihn abstieß, räumte Delacroix mit der bis dahin üblichen orientalistischen Malerei auf, deren Künstler keine Ahnung vom Orient hatten.
“Das bunte Leben”, 1907 – Wassily Kandinsky
In dieser Folge: Die Motive, die der russische Maler Wassily Kandinsky auf seinem Gemälde “Das bunte Leben” (1907) festhält, sind – wie er selber auch – stark in der russischen Tradition verwurzelt. Doch das Gemälde enthält ebenso bereits viele der Elemente, die Kandinsky in eine der größten Revolutionen der Kunstgeschichte begleiten werden – dem Sprung in die Abstraktion.
1907 präsentiert der russische Maler Wassily Kandinsky ein Gemälde mit dem Titel „Das bunte Leben“. Es ist eine farbenfrohe Hymne an die russischen Traditionen – und steht damit im Gegensatz zum zeitgeistlichen Streben des Zaren und der russischen Elite hin zur westlichen Kultur.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Pariser Avantgarde Künstler aus aller Welt anzog, suchte der russische Maler Wassily Kandinsky seinen eigenen Weg. Wie eine ganze Generation junger Künstler lehnte es Kandinsky ab, sein Land durch den Filter eines aus dem Ausland importierten wissenschaftlichen und kulturellen Denkens zu sehen. Er begeisterte sich für das spezifisch russische Wissen, unbeeinflusst von der Moderne.
Im Jahr 1889 unternahm er eine Russlandreise, um für sein Jurastudium das Rechtssystem des Urvolks der Syrjänen im Ural zu studieren. Während dieser Reise erkrankte er an Typhus, und letztlich werden die Visionen des Fieberwahns zu dem Schlüsselerlebnis, infolgedessen er beschloss, Maler zu werden. Sein Bild „Das bunte Leben“ verarbeitet Erlebnisse ebendieser Expedition: Auf dem Bild drängt sich eine dichte Menschenmenge. Ein buntes Gemisch aus einfachen Leuten, Fabelgestalten, Schutzheiligen und Madonnen. Trotz der Hinwendung zur jahrtausendealten Vergangenheit Russlands sind auf dem Gemälde bereits einige Grundprinzipien der Abstraktion zu erkennen.
Inspiriert unter anderem durch Goethes Farbenlehre, löste Kandinsky sich in seinem weiteren Schaffen vom figurativen Malen. Sein Ziel war es, die Bilder allein durch Farbe für die Sinne erfahrbar zu machen. Es folgten berühmte Werke wie „Komposition VII“ (1913) oder „Gelb – Rot – Blau“ (1925), mit denen Kandinsky schließlich zum Begründer der abstrakten Malerei wurde.
“Dame im Bad”, 1571 – François Clouet
François Clouet war Hofmaler Karls IX. Er hatte das Amt von seinem Vater geerbt, dem aus den Niederlanden stammenden Maler Jean Clouet. François Clouet genoss den Schutz der Königinmutter Katharina von Medici. In die Kunstgeschichte ist Clouet als der französische Meister des Porträts eingegangen. 1571 beendete er ein ebenso schönes wie rätselhaftes Bild: Im Vordergrund, in der Badewanne, sitzt eine halbnackte Frau mit blassem Teint; hinter ihr stillt eine Amme mit groben Gesichtszügen einen Säugling; im Hintergrund des Zimmers macht sich eine Dienerin zu schaffen.
Die Einordnung des Bildes schwankt zwischen galanter Malerei, Porträt und Genreszene. Unsicher ist auch die Identität der schönen Najade: Handelt es sich um Diana von Poitiers, um eine andere Mätresse des Königs oder um Maria Stuart? Das Gemälde entstand während der Religionskriege, doch es vermittelt ein versöhnliches Bild der Epoche. Die Art, wie es den nackten Körper enthüllt und vorzeigt, wurde maßgebend für die darauffolgenden strengen Schönheitskanons.
Doch sehr bald setzte man diese Regeln außer Kraft: Die Gewohnheiten der Körperpflege änderten sich, und es entstand eine andere Beziehung zum Schamgefühl. Jetzt wurde der Körper verhüllt und in ein Korsett gepresst.
- Inhaltsübersicht
DVD 1
Quentin Massys “Der Geldwechsler und seine Frau” (1514)
Gustave Courbet “Das Atelier des Künstlers” (1855)
Georges Seurats “Die Badenden in Asnières” (1884)
Diego Velázquez “Die Hoffräulein” (1656)
Paul Veronese “Die Hochzeit zu Kana” (1563)DVD 2
Jean Fouquet “Das Martyrium der Heiligen Apollonia” (1461)
François Clouet “Dame im Bad” (1571)
Elisabeth Vigée-Lebru “Marie Antoinette mit ihren Kindern”(1787)
Eugène Delacroix “Die Frauen von Algier in ihrem Gemach” (1834)
Wassily Kandinsky “Das bunte Leben” (1907)- Credits
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Regie: Clément Cogitore
Produktionsland: F
Produktionsjahr: 2015
- Pressestimmen
“Die Gemälde werden durch eine raffinierte 3-D Animation wahrhaft “lebendig”, der Zuschauer kann in sie "eintauchen. – " Damals
“…lässt das Herz jeden Kunstfreundes höher schlagen. Kunstwerke zwischen Mittelalter und Moderne verraten viel über Kriege, Revolutionen, wirtschaftlichen Wandel, Religion und Weltanschaung der Epoche. Mittels 2D- und 3D-Technik taucht der Betrachter in das Bild ein.” Zeitungsgruppe Lahn-Dill
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Best. Nr.: 1025
ISBN: 978-3-8488-1025-3
EAN: 978-3-8488-1025-3
Originaltitel:
LES PETITS SECRETS DES GRANDS TABLEAUX
Länge: 260
Bild: NTSC, Farbe, 16:9
Ton: Dolby Stereo
Sprache: Deutsch Englisch Französisch
Untertitel: französische Untertitel
Regionalcode: codefree
Rubrik: Dokument
Genre: Historienfilm